Tagung Maritime Null-Emission

Auf der ersten Fach-Konferenz des Deutschen Maritimen Zentrums im November 2018 ging es vornehmlich um die Frage der Reduktion von CO2-Emissionen im maritimen Bereich und die damit verbundenen notwenigen Maßnahmen zur Dekarbonisierung.

Grußwort

Achim Wehrmann (Unterabteilungsleiter Schifffahrt im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) eröffnete die Konferenz: „Ich freue mich, dass das Deutsche Maritime Zentrum hier ins Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nach Berlin gekommen ist, um mit seiner ersten Konferenz in den Dialog mit der maritimen Branche zu starten. Der maritime Bereich verfügt über ein hohes innovatives Potenzial. Er ist intensiv mit der Entwicklung umweltfreundlicher Technologien befasst, z.B. bei Kraftstoff und Antrieb, intelligenter Software zur Optimierung des Schiffsbetriebes und der Routenführung. Mit dieser Konferenz wollen wir Marktchancen mit umweltverträglichen Lösungen beleuchten und das internationale Wettbewerbsfeld analysieren.“

Einführung

In seiner Einführung machte Dr. Reinhard Lüken (1. Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Maritimen Zentrums) deutlich, dass „ein ‚Weiter so‘ nicht reichen wird“. Die maritime Wirtschaft stehe vor epochalen Herausforderungen, darunter besonders prominent die Verringerung der Emissionen. Nie zuvor habe es mehr Unsicherheit im Markt und mehr Bedarf für Forschung, Entwicklung und Innovation gegeben, so Lüken. Er ist sich sicher: „Nur gemeinsam mit aktiver Beteiligung aller Akteure und einer Offenheit für neue Formen der Zusammenarbeit können wir die ambitionierten Ziele erreichen.“

Keynote

Die Keynote hielt Prof. Dr. Claudia Kemfert (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sachverständigenrat für Umweltfragen). Die Regierungsberaterin und Energie-Expertin diskutierte über Fragen der Verkehrswende für die maritime Branche. Die Schifffahrt, die sie als Rückgrat vieler Industriebetriebe bezeichnete, sei das klima- und umweltschonendste Transportmittel und dennoch sei ihr CO2-Ausstoß enorm und müsse dringend reduziert werden, wenn man die Pariser Klimaziele erreichen wolle. Die Seeschifffahrt werde zu den Leidtragenden des Klimawandels gehören, denn die Häfen seien davon massiv betroffen.
Kemfert sieht die dringende Notwendigkeit, aber auch ein großes Potenzial zur Reduktion von Emissionen im maritimen Bereich. Innovationen seien auch aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit sinnvoll. Die Branche habe bereits erhebliche Anstrengungen vorgenommen, regenerative Energien zum Einsatz zu bringen. Es sei jedoch offensichtlich, dass eine 50-prozentige Reduktion der Emissionen bis 2050 nicht ausreichen werde. Die Branche müsse sich auf das Ziel der Null-Emissionen konzentrieren.
Der zügige Übergang in die dekarbonisierte maritime Wirtschaft bedürfe großer Anstrengungen und einer engen Verzahnung zwischen Technik, Betrieb und Infrastruktur. Die Wirtschaftswissenschaftlerin appellierte an die deutsche Schifffahrt aktiv Verbündete zu suchen und drängte auf klare Regelungen: „Wenn man die Klimaziele von Paris erreichen will, darf die Verantwortung nicht zwischen der IMO, der europäischen und deutschen Politik und der Wirtschaft hin und her geschoben werden.“

Impulsreferate aus Schiffbau, Schifffahrt, Häfen und Infrastruktur

Harald Fassmer (Präsident des VSM) betonte, wie wichtig neue Formen der Zusammenarbeit, vernünftige Handelsregeln, flächendeckende Grenzwerte und auch neue staatliche Instrumente seien. Die Branche stehe vor einem Epochenwandel. Null-Emission sei eine Chance. Und möglicherweise, so Fassmer, müsse man irgendwann darüber nachdenken fossile
Brennstoffe weltweit zu verbieten.

Kapitän Alfred Hartmann (Präsident des VDR) sagte, dass die Reduktion der CO2-Emissionen mit der heute verfügbaren Technik und Infrastruktur noch nicht möglich sei und daher erhebliche Mittel in Forschung und Entwicklung investiert werden müssen, um alternative klimaneutrale Brennstoffe herzustellen.

Frank Schnabel (Präsidiumsmitglied des ZDS) hob hervor, dass die maritime Branche umweltfreundlicher geworden sei. Er positionierte sich eindringlich für den Einsatz von (synthetisiertem) LNG als Schiffstreibstoff, dies würde zu einer Vermeidung von Partikelemissionen und SOx und zu einer Reduzierung der NOx-Emissionen führen. Durch einen klaren Fokus auf Wettbewerb, der Kosteneffizienz und Innovationen fördert, und durch optimale Rahmenbedingungen der öffentlichen Hand könne es dem deutschen maritimen Standort gelingen, internationale Vorgaben mit innovativen Ideen aufzugreifen, nachhaltig zu agieren und marktführend zu sein.

Die anschließende Diskussion zeigte, dass die maritime Branche keine Zeit verlieren will, sie setzt auf Eigeninitiative und hofft auf klare Anreize. Der Wechsel in die erneuerbaren Energien sei vordringlich, in diesem Bereich könne man auch viel voneinander und von anderen Ländern lernen.

Statement

Die zweite Sektion der Konferenz begann mit einem Statement von Norbert Brackmann, MdB (Maritimer Koordinator der Bundesregierung im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie): “‘Die Energiewende im Verkehr‘ steht auf der politischen Prioritätenliste ganz oben. In der global aufgestellten maritimen Wirtschaft kommt es dabei darauf an, Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen und Themen und Initiativen miteinander zu vernetzen. Den Weg zur Maritimen Null-Emission müssen wir alle zusammen gehen – Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Nur so werden wir am Ende unser Ziel – eine saubere, emissionsfreie, aber auch faire maritime Wirtschaft – erreichen.“

(v.l.n.r.) R. Lüken, W. Sichermann, N. Brackmann, F. Schnabel, C. Kemfert, R. Kruse, M. Griefahn, S. Dahl, H. Reinhold, A. Hartmann, G. Stiesch, H. Fassmer


Paneldiskussion

In der anschließenden Paneldiskussion „Klima- und Umweltschutz im globalen Wettbewerb“ mit Vertretern und Vertreterinnen aus Politik und Wirtschaft ging es um drängende Fragen: Was ist der Antrieb der Zukunft, was ist der Kraftstoff der Zukunft? Wie sieht das Schiff der Zukunft aus?

Gunnar Stiesch (Senior Vice President Motorenentwicklung bei MAN Energy Solutions), gab Einblicke in Forschung und Entwicklung der künftigen Schiffsantriebe. Neben der Reduktion der Emissionen, z.B. durch verbesserte Motoren und Abgas-Nachbehandlung spielen zunehmend klimaneutrale Kraftstoffe eine zentrale Rolle. Er begrüßt ambitionierte weltweite Regularien, nur so könne die deutsche maritime Wirtschaft ihren Vorsprung halten.

Monika Griefahn (Senior Sustainability Advisor der Costa Group – AIDA Cruises) richtete handfeste Forderungen an die Politik, was die Förderung umweltfreundlicher Antriebe angeht. Power-to-gas müsse dringend in die industrielle Umsetzung und Landstromanlagen endlich wirtschaftlich gut nutzbar werden.

Kai Miller (zuständig für Strategic Pricing Models bei Kühne und Nagel) erläuterte die Anstrengungen, gegenüber den Kunden die Auswirkungen ihrer Transportentscheidung in Bezug auf CO2 Emissionen transparent zu machen und Wahlmöglichkeiten anzubieten. Damit die Kunden sehen, wie hoch der Ausstoß ist, werde einer jeden Rechnung ein CO2- Nachweis anfügt. Es gebe zunehmend Kunden, denen Nachhaltigkeit und Umweltschutz so wichtig seien, dass sie die Ware etwas langsamer, dafür aber umweltschonender transportieren lassen würden. Dies sei in vielen Branchen möglich.

Rüdiger Kruse, MdB, Beauftragter für die maritime Wirtschaft der CDU/CSU-Fraktion, hob hervor, dass die Finanzmittel für die maritime Wirtschaft im aktuellen Bundeshaushalt aufgestockt wurden. Er konstatierte, dass sich die Branche deutlich gewandelt habe und intensiv an Umweltinnovationen arbeite.

Hagen Reinhold, MdB, fachpolitischer Sprecher für die maritime Wirtschaft der FDP-Bundestagsfraktion, vermisste hingegen eine langfristige Strategie für die Branche. Die Aktivitäten sollten seiner Meinung nach noch stringenter verfolgt und konsequenter umgesetzt werden.

Fazit

Die maritime Branche will und wird weiter in Klimaschutz und Emissionsvermeidung investieren.

  • Ein gemeinsames Vorgehen gerade im Bereich der Forschung und Entwicklung ist dringend notwendig.
  • Die Branche sieht weltweit einheitliche und strengere Emissionsstandards als notwendig an, um den Übergang in eine CO2-neutrale maritime Wirtschaft zu beschleunigen.
  • Die Einführung neuer klima- und umweltschonender Technologien muss durch eine beschleunigte begleitende Vorschriftenentwicklung gestützt werden, um unternehmerische Risiken zu begrenzen und damit die Investitionsbereitschaft zu erhöhen.
  • Faire Randbedingungen etwa bei der Besteuerung von Landstrom und dem Ausbau der Versorgungsinfrastruktur werden als Schlüsselfaktoren für die maritime Energiewende gesehen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nannten eine Reihe von Feldern, in denen sie sich ein Engagement des Deutschen
Maritimen Zentrums wünschen und für sinnvoll erachten. Es soll:

  • als Thinktank agieren und langfristige Trends beschreiben sowie Diskussionen transparent machen,
  • Synergien mit anderen Branchen herstellen und die sparten- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit befördern,
  • Pilot- und Leuchtturmprojekte vorantreiben und koordinieren.

Dies gilt insbesondere im Bereich der Forschung, Entwicklung, Regularien und Weiterbildung an der Schnittstelle von
Forschung zur Umsetzung neuer umweltschonender Technologien