Maritime Research Forum 2023 – Bericht

Wissenschaft trifft Wirtschaft - das Maritime Research Forum fand in diesem Jahr in Kooperation mit der Hochschule Bremen statt. Im Mittelpunkt standen Fragen der Nachhaltigkeit.
28.03.2023
Dr. Regine Klose-Wolf

Dr. Regine Klose-Wolf

Leiterin Kommunikation

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Kapt. Runa Jörgens

Kapt. Runa Jörgens

Leiterin Themen und Projekte/Referentin Schifffahrt

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Das vierte Maritime Research Forum fand am 16. März 2023 auf dem Campus Neustadt der Hochschule Bremen (HSB) statt. Im Fokus des Forums und der rund 100 Teilnehmenden stand dabei die Frage, wie sich die Meere in Zukunft nachhaltiger und klimafreundlicher nutzen lassen. Wie zentral das Thema ist, zeigt die Tatsache, dass die Ozeane in den vergangenen Jahren nicht ohne Grund immer stärker ins Zentrum der Klimaforschung gerückt sind. Die Meere nehmen 90% der durch menschliche Aktivitäten zusätzlich produzierten Wärme und 25% des in die Atmosphäre ausgestoßenen CO2 auf, schwächen also die Folgen des Klimawandels massiv ab. In den Ozeanen bleibt dies nicht ohne Folgen. Meeresorganismen geraten immer stärker in Bedrängnis, der globale Meeresspiegel steigt, das Meereis der Arktis und Antarktis schmilzt und ganze Ökosysteme wie die tropischen Korallenriffe drohen in den kommenden Jahrzehnten verloren zu gehen. Im Angesicht dieser Entwicklungen stehen auch wichtige Dienstleistungen der Meere für die Menschheit auf dem Spiel – sei es als Verkehrsweg, Ressource für Medikamente, Lebensmittel oder auch als Freizeitangebot. Auf dem Maritime Research Forum diskutierten junge Forschende und Wirtschaftsvertreter*innen daher gemeinsam über Lösungen. Welche innovativen Ideen gibt es in der Forschung? Und welchen Beitrag kann die maritime Branche zum Meeres- und Klimaschutz leisten unter Beachtung der Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit?

Begrüßung

In ihrer Begrüßung machte Prof. Dr. Karin Luckey, Rektorin der Hochschule Bremen, deutlich, dass die nachhaltige Nutzung der Meere als Verkehrsweg und Ressource eine große Herausforderung für Technik, Wirtschaft und Gesellschaft sei, die sich nur zusammen und im konstruktiven Dialog bewältigen lasse. Den jungen Forschenden, Studierenden und Auszubildenden komme eine Schlüsselrolle zu, denn nur mit ihren Ideen, ihrer Motivation und ihrer Fähigkeit, auch ungewöhnliche Wege zu denken und zu gehen, könne diese Mammutaufgabe gelingen.

Dr. Claudia Schilling, Senatorin für Wissenschaft und Häfen, betonte in ihrem Grußwort die zentrale Rolle Bremens beim anstehenden Veränderungsprozess. So biete kein anderer Standort in Deutschland eine so große Vielfalt an maritimen und marinen Forschungsdisziplinen wie die Hansestadt an der Weser. Zudem sei auch die maritime Wirtschaft auf einem guten Weg in Richtung Nachhaltigkeit, wie das Bremische Hafenentwicklungskonzept 2035 zeige, das im Einklang mit den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen konzipiert worden sei. Die Stadt sei damit ein idealer Ort für das diesjährige Forum des Deutschen Maritimen Zentrums, in dem auch Bremen Mitglied ist.

Claus Brandt, Geschäftsführer des Deutschen Maritimen Zentrums, begrüßte die Teilnehmenden und ganz besonders die von der Jury ausgewählten 19 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Projekte im World Café präsentierten. An die Vertreter*innen der Wirtschaft gewandt sagte er: „Ideen, wie man die maritime Wirtschaft nachhaltiger machen kann, gibt es genug. Aber es hakt an der Umsetzung. Ohne Wissenschaft gibt es keinen Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit. Deshalb haben wir dieses Dialogformat geschaffen. Nutzen Sie die Chance und kommen Sie mit den jungen Forschenden ins Gespräch. Lassen Sie sich von ihren Ideen inspirieren.“

Impulse

In den einleitenden Impulsvorträgen lernten die Teilnehmenden das Fokusthema Nachhaltigkeit von zwei Seiten kennen. Als Vertreter der maritimen Wirtschaft beschrieb Sebastian Westphal (Managing Director der Business Unit Heavy Lift bei Harren & Partner), das große Ziel der Klimaneutralität aus der Sicht eines Reeders. Auf dem Weg zur Klimaneutralität könne und wolle man schneller sein. Die gesetzten Ziele würden deutlich über die politisch geforderten hinausgehen. So wolle das Unternehmen ab 2030 ausschließlich klimaneutral betreibbare Schiffe bauen und mindestens 50% des Unternehmensgewinns in Forschung, Entwicklung und klimafreundliche Neubauten stecken.
Dr. Michèle Schaub vom Rostocker Forschungszentrum für Verbrennungsmotoren und Thermodynamik stellte als Vertreterin der Wissenschaft anschließend das Projekt SimPleShip vor, eine Simulationsplattform zur digitalen Gesamtsystemanalyse und energetischen Betriebsoptimierung komplexer Passagierschiffe. Hauptbestandteil der Plattform ist ein digitaler Zwilling des Schiffs, der sämtliche Flüsse elektrischer und thermischer Energie abbildet und so noch vor dem Bau energetische Verluste und Optimierungspotenziale aufzeigt.

World Café

Anschließend startete der Hauptteil des Forums – das World Café. An fünf Themenstationen (Hafen & Hinterland, Detektion, Schiffsauslegung/-optimierung, Marine Biologie, Operativer Schiffsbetrieb) stellten die Forschenden ihre Projekte auf Postern vor und beantworteten die Fragen der Teilnehmenden. Letztere waren in fünf Gruppen aufgeteilt und wechselten im Halbstundentakt von einer Station zur nächsten. So war gewährleistet, dass jede/jeder Teilnehmende sich in einer überschaubaren Gruppengröße über jedes Projekt informieren und darüber diskutieren konnte.

An den einzelnen Stationen hatten die Präsentierenden je vier Minuten Zeit, in kompakter Form über ihr Projekt zu berichten. Alle Vortragenden nutzten die Kürze der Zeit mit großem Engagement und einer Begeisterung, die auch auf die Zuhörenden übersprang. Immer wieder stellten sie Nachfragen, wie etwa beim Projekt von Dr.-Ing. Daniel-André Dücker (Technischen Universität München). Seine Forschungsgruppe hat einen Schwarm autonomer Unterwasserroboter entwickelt, der sich mithilfe Künstlicher Intelligenz und ohne menschliches Zutun selbstständig untereinander koordiniert. Einen der schuhschachtelgroßen Roboter hatte er mitgebracht. „Zu jedem Zeitpunkt sind auf den Meeren etwa 10.000 Frachtschiffe mit jeweils bis zu 18.000 Containern unterwegs“, erklärte Dücker. „Durch Unfälle und Stürme können Container verloren gehen. Dabei können auch enthaltene Chemikalien oder radioaktives Material austreten, die nicht an der Wasseroberfläche bleiben und in die Wassersäule sinken. Unser Schwarm aus Unterwasserrobotern kann nun eingesetzt werden, um die Konzentrationsverteilung dieser Gefahrenstoffe zu analysieren und automatisch den Weg zur größten Konzentration und somit zur Quelle finden.“ In den Fragerunden interessierten sich die Teilnehmenden besonders für die Anwendungsbereiche der Roboter und ob sie etwa auch bei einem Ölteppich eingesetzt werden können. „Auf jeden Fall“, so Dücker. „Der Schwarm bewegt sich dann automatisch so effizient wie möglich durch den Teppich bis zu den Rändern und kann so dessen Ausdehnung genau vermessen.“

Immer wieder sorgten die Vorträge auch für Überraschung bei den Vertreter*innen aus Wirtschaft und Verwaltung. So stellte etwa Constanze Ugé (Technische Universität Hamburg) ihr Projekt zur bordgebundenen Wellenbestimmung von Ozeanwellen vor. Einige der dafür nötigen Umgebungsdaten würden nach wie vor visuell von den nautischen Offizieren erhoben. Doch das menschliche Auge sei nicht besonders verlässlich: Bei hohem Seegang verschätze es sich häufig bei der Wellenhöhe um mehr als einen und bei der Wellenlänge um mehrere Meter. Abhilfe könne ein Sensorsystem schaffen, das mehrere Umweltparameter kombiniert, die zu Teilen bereits an Bord verfügbar sind. Ein Prototypsystem, das diese Sensorfusion umsetzt, so die Wissenschaftlerin, koste nur 200 Euro. Diese Zahl führte den Anwesenden vor Augen, dass der operative Schiffsbetrieb bereits mit extrem wenig Aufwand und geringen Kosten massiv verbessern kann.

Von Sophie Steinhausen (Universität Hamburg) erfuhren die Teilnehmenden, wie sich mithilfe von Algen der Methanausstoß von Rindern reduzieren und so klimafreundliche Milch herstellen lässt. Die Zugabe von nur 0,5% der Rotalge Asparagopsis taxiformis zur täglichen Futtermenge von Kühen kann deren Ausstoß von Methan, das eine 28-mal stärkere Treibhausgaswirkung als CO2 hat, um bis zu 99% hemmen. Verantwortlich dafür ist der in den Algen enthaltene halogenierte Kohlenwasserstoff Bromoform. Weltweit wird bereits mit Hochdruck an der großflächigen Kultivierung der Alge zur Herstellung von Futtermittelzusätzen geforscht. Die Milch schmeckt übrigens nach Verfütterung des Futtermittelzusatzes aus Algen nicht nach Fisch. Es gibt jedoch ein anderes Problem: Die Rotalge kommt nur in tropischen Gewässern vor. Geprüft wird in dem Projekt deshalb das Potenzial heimischer Braunalgen wie Dictyota dichotoma, die auch in der Nordsee vorkommt. Die Laborversuche der Hamburger Forschungsgruppe waren bislang vielversprechend. Bald wollen sie in Kooperation mit einigen Landwirten eine Versuchsreihe mit Rindern starten.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer waren begeistert von den vielfältigen Projekten. So erfuhren sie unter anderem, wie die Fischerei der Zukunft aussehen könnte (Thünen-Institut Rostock) und wie man mithilfe automatisierter Systeme zur Luftbildanalyse die Größe von Seehundpopulationen auf Sandbänken bestimmen sowie Plastikmüll im Meer aufspüren kann (Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth). Sie lernten, wie man Container in Seehäfen effizienter lagern kann (TU Hamburg) und wie sich die Schifffahrt weiter automatisieren lässt, etwa bei komplexen Manövern wie dem An- und Ablegen (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel). Und sie erfuhren, wie brandsichere, biobasierte Faserverbundwerkstoffe im Schiffbau eingesetzt werden können (Fraunhofer-Institut IFAM Bremen). Das waren nur einige, der innovativen Projekte aus der Wissenschaft. Besonders positiv aufgenommen wurde von den Teilnehmenden die Tatsache, dass auch Bachelorstudierende, die in ihrer Forschungskarriere noch ganz am Anfang stehen, mit ihren Ideen überzeugen konnten.

Abschließende Betrachtungen

Im abschließenden Impulsvortrag erläuterte Prof. Dr. Thomas Pawlik (Hochschule Bremen) allen Teilnehmenden mit plakativen Karten und Grafiken, welche Ökosystemdienste die Meere für die Menschheit leisten und wie zentral eine Transformation hin zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung für deren Erhalt ist. Dass sich dafür ein Perspektivwechsel vom Land zum Meer lohnt, machte er mit der Weltkarte des US-amerikanischen Geophysikers und Ozeanografen Athelstan F. Spilhaus deutlich, welche die ursprünglich fünf Ozeane und ihre Randmeere als ein zusammenhängendes Gewässer und somit als einen zentralen Weltozean darstellt.

Claus Brandt verabschiedete die Gäste im Anschluss mit einer Bitte: „Tragen Sie die Ideen, die Sie heute kennengelernt haben, hinaus in die Welt.“

Zum Hintergrund

Das vom Deutschen Maritimen Zentrum konzipierte Maritime Research Forum fand erstmals 2018 statt. Es dient dem unmittelbaren Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft über Zukunftsthemen und neue Technologien (im maritimen Sektor). Es soll den Teilnehmenden aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung einen Eindruck vom Stand der Innovation in der wissenschaftlichen maritimen Forschung bieten.

Autor: Nils Ehrenberg

Bilder: © Ann Gabrysch/Deutsches Maritimes Zentrum

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