Förderprogramme der EU

Wie wird Horizont Europa in der deutschen maritimen Branche angenommen? Erste Erkenntnisse aus der Förderperiode 2021-2022
31.05.2023
Helena Rapp

Helena Rapp

Referentin europäische Initiativen und Förderprogramme in der maritimen Branche

Telefon: +49 40 9999 698 - 76
E-Mail: Rapp[at]dmz-maritim.de

Für die maritime Branche ist das Programm Horizont Europa im Bereich Forschung und Innovation ein wichtiger Baustein, der die Förderlandschaft auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene ergänzt und vervollständigt. Die folgende Zusammenfassung zeigt die aktive Partizipation der Branche, insbesondere der Forschungsinstitutionen und Privatunternehmen. Das aktuelle Arbeitsprogramm 2023-2024 bietet gerade für die Segmente Schiffbau, Schifffahrt, Häfen und Logistik zahlreiche Ausschreibungen und durch die ko-programmierte Partnerschaft mit Zero Emission Waterborne Transport (ZEWT) Fördermöglichkeiten in den maritimen Kernbereichen – stets aktuell im Maritimen Förderkompass Europa des Deutschen Maritimen Zentrums dargestellt.

Was ist Horizont Europa?

Horizont Europa (Horizon Europe) ist das aktuelle, inzwischen 9. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union. Es hat, mit einer Laufzeit von 2021 bis 2027 und einem Gesamtbudget von 95,5 Mrd. Euro, die Nachfolge von Horizont 2020 (H2020) angetreten. Das Ziel des Programms ist es, die europäische Gesellschaft und Wirtschaft durch Wissen, Innovationen und nachhaltige Entwicklung zu stärken.

Thematisch knüpft Horizont Europa an das Vorgängerprogramm an, ist dabei noch differenzierter gestaltet und finanziell umfangreicher ausgestattet. Die Fördermittel können gezielter eingesetzt und wirksam werden. Im Fokus des Forschungs- und Innovationsprogramms steht die digitale und die grüne Transformation Europas (als Teil des Fit-for-55-Pakets), die auf drei Säulen basiert: 1. Wissenschaftsexzellenz, 2. Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas, 3. Innovatives Europa.

Säule 2 (Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas) ist für den strategischen Plan 2021-2024 besonders wichtig und bildet die Grundlage für die Arbeitsprogramme und die strategische Ausrichtung. Die Säule umfasst sechs Cluster (Gesundheit; Kultur, Kreativität und eine inklusive Gesellschaft; Zivile Sicherheit für die Gesellschaft; Digitalisierung, Industrie und Weltraum; Klima, Energie und Mobilität; Lebensmittel Bioökonomie, natürliche Ressourcen, Landwirtschaft und Umwelt). Es geht um Aspekte wie digitalen und ökologischen Wandel durch Technologien und Innovationen, Wiederherstellung von Ökosystemen und der biologischen Vielfalt Europas, klimaneutrale und nachhaltige sowie Kreislaufwirtschaft, eine widerstandsfähige, inklusive und demokratische Gesellschaft sowie europäische kofinanzierte und ko-programmierte Partnerschaften mit Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Die genannten Themen finden sich in den für die maritime Branche relevanten und breitgefächerten Ausschreibungen wieder. Fünf säulenübergreifende und interdisziplinär ausgerichtete Missionen ergänzen in einem separaten Arbeitsprogramm die Forschungs- und Innovationsinstrumente im Programm Horizont Europa.

Wie wird Horizont Europa in der deutschen maritimen Branche angenommen?

Erste Erkenntnisse aus der Förderperiode 2021-2022 zeigen:

  • Mit 152 Mio. Euro Fördervolumen an nicht rückzahlbaren Zuschüssen für die maritime Branche in Deutschland in den ersten beiden Jahren übertrifft Horizont Europa das Vorgängerprogramm H2020 schon jetzt (150 Mio. Euro in sieben Jahren).
  • In über 100 Projekten sind Stakeholder aus allen Kategorien und maritimen Teilbrachen vertreten. Zu den größten Fördermittelempfängern gehören u.a. die Helmholtz-Gemeinschaft, das Forschungszentrum Jülich, GE Grid GmbH, Siemens Energy Global GmbH & Co. KG sowie die Fraunhofer Gesellschaft.
  • Maritime Forschungen und Innovationen finden deutschlandweit satt. 15 Bundesländer partizipieren an Projekten, die auf verschiedenen Ebenen maritim anwendbar sind. Mittel fließen direkt in die Branche in Projekte, die ausschließlich maritim ausgerichtet sind. Hierbei handelt es sich z.B. um technische Innovationen im Schiffbau, Technologien für klimaneutrale Häfen, Emissionsreduktionen in der Schifffahrt oder Verfahren im großen Bereich der Meerestechnik.
  • Auch über indirekte Mittel profitiert die Branche durch Projekte in denen Materialien und Prozesse (vornehmlich in der Zulieferindustrie) gefördert werden, die zukünftig auch in der maritimen Branche zur Anwendung kommen können (z.B. digitale, KI-gestützte Innovationen).
  • Offenkundig ist die Teilhabe großer deutscher Forschungszentren und -gemeinschaften, die entsprechende Erfahrung in der Beantragung von Fördermitteln haben und die Anforderungen des neuen Forschungsrahmenprogramms unmittelbarer umsetzten können. Dies spiegelt die Verteilung der Fördermittel in den einzelnen Bundesländern wider. In Nordrhein-Westfalen, Bremen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg fließt mindestens die Hälfte der Forschungsgelder in große Forschungsinstitutionen. Wohingegen in Bayern große sowie kleine und mittlere Unternehmen aus dem Zuliefererbereich mehr als zwei Drittel der Forschungsgelder akquirieren konnten.
  • Der Sektor Meerestechnik – mit einer Bandbreite an Projekten in den Bereichen Offshore, Aquakultur, Ozeanforschung, CCS/CCU, Digitalisierungsprojekte rund um Ozeane und Gewässer – sticht in den ersten beiden Jahren der Förderperiode mit einem Anteil von 55% besonders hervor. Die thematische Vielfalt, die vielen Partizipationsmöglichkeiten des Sektors sowie zusätzliche Fördermittel durch die Mission „Gesunde Ozeane, Meere, Küsten- und Binnengewässer“, begründen den Umfang der Zuwendungen.
  • Rund ein Fünftel der Mittel im maritimen Bereich flossen in das Segment Richtlinien und Politik. Die Gestaltung politischer Rahmenbedingungen für den Einsatz der Fördermittel ist v.a. zu Beginn neuer Förderperioden grundlegend. Für eine nachhaltige und gezielte Wirkung einzelner technischer Innovationen und Maßnahmen gilt es, einen politischen Rahmen zu verankern und darüber ein gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen. Zudem unterstützen die ausgeschütteten Fördermittel nationale und regionale Initiativen, die die grüne Transformation der maritimen Branche voranbringen. Diese Vorhaben leisten auf struktureller, systemischer und gesellschaftlicher Ebene einen Beitrag für die Umsetzung der ambitionierten Ziele des europäischen Green Deal. Der Aspekt ist verbindlich in den zentralen Ausrichtungen des Strategischen Plans 2021-2024 [1] festgeschrieben.
  • Weitere Mittel wurden für europäische Partnerschaften in Horizont Europa eingesetzt. Dabei handelt es sich um Initiativen, bei denen die EU in Zusammenarbeit mit privaten und/oder öffentlichen Partnern die Umsetzung von Forschungs- und Innovationstätigkeiten unterstützt. Im Fokus stehen die strategischen Ziele der EU: klimaneutrales, grünes, faires und soziales Europa sowie eine widerstands- und wettbewerbsfähige Industrie. Es gibt verschiedene Formen der Partnerschaft, die die Vision eint, ein breites Spektrum an Akteuren und die gesamte Wertschöpfungskette über Länder hinweg abzubilden. Ein Beispiel ist das Clean Energy Transition Partnership (CETP), eine kofinanzierte Partnerschaft in Horizont Europa, die mit der Nationalen Kontaktstelle Klima, Energie und Mobilität einen deutschen Projektpartner [2] hat und Vorhaben im Bereich grüner Energietechnologien fördert. Ein weiteres Beispiel ist die ko-programmierte Partnerschaft in Horizont Europa mit ZEWT

 

Die Technologieplattform Waterborne TP

Waterborne TP ist eine industrieorientierte Plattform, die den Dialog zwischen maritimen Stakeholdern (Klassifikationsgesellschaften, Schiffbauer, Reeder, Zulieferindustrie, Infrastruktur & maritime Dienstleister, Universitäten, Forschungseinrichtungen), der EU sowie den EU-Mitgliedsstaaten ermöglicht.

Die Technologieplattform Waterborne TP (dessen Mitglied das Deutsche Maritime Zentrum ist) erarbeitet in Kooperation mit der Europäischen Union eigens für die maritime Branche Ausschreibungen im Cluster „Klima, Energie und Mobilität“ von Horizont Europa. Ziel der Partnerschaft ist die Entwicklung von Technologien für alle wichtigen Schiffs-Typen- und dienste, damit der Sektor bis 2050 emissionsfrei werden kann. Dazu zählen Dekarbonisierungstechnologien; die Beseitigung weiterer Emissionen und Schadstoffe; wirtschaftlich tragfähige, wettbewerbsfähige Konzepte zur Stärkung umweltverträglicher Technologien; die Entwicklung von Vorschriften, Normen und Standards auf nationaler und internationaler Ebene sowie die Förderung der Beschäftigung in Europa. Die Partnerschaft zwischen ZEWT und der Europäischen Kommission ermöglicht es, die Fördermittel für Innovationen auf dem Weg zu einem emissionsfreien maritimen Sektor gezielt einzusetzen – die, so zeigt es die Auswertung, von der Branche angenommen werden.

Im Rahmen der ZEWT-Partnerschaft wurden in der ersten Förderperiode von Horizont Europa zwölf Ausschreibungen (2021: acht; 2022: vier) mit einem Fördervolumen von 167,5 Mio. Euro aufgelegt, die das Deutsche Maritime Zentrum inhaltlich mitgestaltet hat. Insgesamt wurden 26 Projekte gefördert (2021: 14; 2022: zwölf); davon 14 Projekte mit deutscher Beteiligung (2021: acht; 2022: sechs).

[1] European Commission, Horizon Europe Strategic Plan (2021-2024), Brüssel 2021, S. 14 ff.; [2] https://www.waterborne.eu/images/210622_Press_release_Zero-Emission_Waterborne_Transport.pdf.

Methode

Die Erkenntnisse liefert eine Analyse geförderter Projekte maritimer Ausrichtung mit Hilfe eines Mixed-Methods-Ansatzes mit explanativem/eingebettetem Design. Auf Basis der CORDIS-Datenbank der Europäischen Kommission und öffentlich zugänglichen Seiten der entsprechenden Akteure und Projekte wurden quantitative Daten erhoben und anhand statistischer Verfahren ausgewertet. In einem zweiten Schritt erfolgte die qualitative Interpretation der Daten sowie eine Diskussion und die fachliche Einschätzung der Ergebnisse innerhalb des Deutschen Maritimen Zentrums. Die Ergebnisse geben einen Überblick zu den maritimen Bereichen und Akteuren, die Fördermittel in Horizont Europa erhalten haben, sowie zur bundesweiten Verteilung der Mittel. Stichtag für die vorliegenden Ergebnisse ist der 1. Februar 2023.

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