Schiffbauindustrie-Emissionen

Rechtsgutachten untersucht aktuelle Vorschriften zu Stoffemissionen, Schallemissionen und Abfallentsorgung für Schiffbaubetriebe.
19.02.2024
Philipp Dörr

Philipp Dörr

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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E-Mail: Doerr[at]dmz-maritim.de

Ralf Plump

Ralf Plump

Ship and Marine Technology

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E-Mail: Plump[at]dmz-maritim.de

Einleitung
Ein Handelsschiff fährt nach dem Bau in der Regel zwischen 20 und 30 Jahren auf den Weltmeeren, bevor es abgewrackt wird. Von der Herstellung (Bau) bis zum Abwracken oder dem Recycling eines Schiffes (Ship-Life-Cycle) werden die verschiedensten Emissionen und Abfälle erzeugt. Etwa 90%[1] und damit der Großteil der Gesamt-Emissionen eines Schiffes  entsteht im Betrieb durch die Abgase der Antriebsanlagen und die Stromerzeugung an Bord. Mit der Umstellung auf regenerative Energieträger könnte in Zukunft ein nahezu emissionsneutraler Schiffsbetrieb, mit Hinblick auf eine Life-Cycle-Betrachtung der Kraftstoffe, erreicht werden. Der Anteil der Gesamtemissionen, der durch die Gestehung und das Abwracken von Schiffen entsteht, wird somit signifikant ansteigen.

Das Gutachten
Vor diesem Hintergrund hat das Deutsche Maritime Zentrum e.V. die Kanzlei Lebuhn & Puchta Partnerschaft von Rechtsanwälten und Solicitor mbB mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens beauftragt. Darin sollen die gesetzlichen Vorschriften zu Stoffemissionen, Schallemissionen und Abfallentsorgung wie auch weitere regulative Randbedingungen für die Schiffbaubetriebe erfasst und dokumentiert werden, und zwar auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene. Die Erhebung und Dokumentation der gesetzlichen Vorschriften sowie regulativer Randbedingungen soll zukünftig eine Gesamtbewertung der Umwelteinwirkungen eines Schiffes, von der Herstellung bis zum Abwracken (Life-Cycle-Approach), ermöglichen.

Unter anderem sollten folgende Transferfragen mit dem Rechtsgutachten beantwortet werden:

  • Welche unterschiedlichen Rechtsvorschriften bezüglich Stoffemissionen, Schallemissionen und Abfallentsorgung sind auf eine bisher bestehende Werft anzuwenden und welche Vorschriften sind für eine neu gegründete Werft zutreffend? Gibt es, ähnlich wie im Baurecht, einen Bestandsschutz für Werftbetriebe?
  • Welche Änderungen der Emissionsvorschriften ergeben sich, wenn eine Neubau- und Reparaturwerft auch Recycling von Schiffen ausführen möchte?
  • Gibt es Emissionsvorschriften, die Schiffbaubetriebe in Deutschland über die europäischen Vorgaben hinaus erfüllen müssen?
  • Gibt es Unterschiede in der Gesetzgebung von Emissions- und Abfallvorschriften in den einzelnen Bundesländern?
  • Welche Gesetzesänderungsvorschläge sind auf europäischer und nationaler Ebene geplant, die die Emissionsvorschriften für Schiffbaubetriebe in Zukunft weiterhin verschärfen können?

Ergebnisse
In dem Rechtsgutachten wurden alle geltenden Gesetze und Verordnungen bezüglich Stoffemissionen, Schallemissionen und Abfallentsorgung entsprechend der Normenhierarchie identifiziert.

In Deutschland sind Werftbetriebe, die Schiffe von über 100m Länge bauen können, dazu verpflichtet, bestimmte Schadstoffe und die Verbringung von Abfällen und Abwasser an das europäische Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister zu melden. Die Meldepflicht besteht, wenn der jeweilige Betrieb die festgelegten Schwellenwerte für Schadstoffe und Abfälle überschreitet. Für CO2-Emissionen in die Luft z.B. liegt der Schwellenwert bei 500 Tonnen CO2 pro Jahr[2].

Im Berichtsjahr 2022 haben alle 23 registrierten Werfbetriebe Angaben zu ihren Abfallmengen gemacht. Jedoch hat nur ein Werftbetrieb die Schwellenwerte überschritten und somit Angaben zu Luftschadstoffen (in diesem Fall Stickoxide und NMVOC[3]) veröffentlicht.

Aus diesem Grund konzentrierte sich Darstellung der Rechtsvorschriften im Rechtsgutachten bezüglich Stoffemissionen auf flüchtige organische Verbindungen ohne Methan und Stickstoffoxidemissionen von genehmigungsbedürften Anlagen im Schiffbau. Soweit keine konkreten Vorgaben für Anlagen zum Schiffbau bestanden, wurden die für die metall- und kunststoffverarbeitenden Industrie geltenden Vorschriften sowie allgemeine Vorgaben zu Stoffemissionen betrachtet.

Werften in Deutschland, die neben Neubau auch Schiffsrecycling ausführen wollen, haben folgende Verordnungen und Gesetze zu beachten:

Für Schiffbaubetriebe, die Schiffe recyceln wollen, gilt (zudem) die europäische Verordnung:
Zulassungsvoraussetzungen des Art. 13, 14 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über das Recycling von Schiffen (aus „EU-SRR“: EU-Ship Recycling Regulation)

Die Zulassungsvoraussetzungen des Art. 13 und 14 der Verordnung gelten, sofern die Abwrackeinrichtung für das Recycling von Schiffe bestimmt ist, die dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1257/2013 unterfallen. Alle Abwrackeinrichtungen die nicht dem Anwendungsbereich der Verordnung unterfallen, sind in Deutschland nach §§ 6 ff. des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zu betreiben. In beiden Fällen muss die Errichtung und der Betrieb der Abwrackeinrichtung nach den besten verfügbaren Techniken für Abfallbehandlungsanlagen ausgerichtet werden.

Das Rechtsgutachten stellt klar, dass die europäischen Richtlinien für prozessbezogene Emissionen und Abfälle in nationales Recht umgesetzt wurden und für alle Bundesländer gelten. Da eine europäische Richtlinie nur das Ziel einer Maßnahme (z.B. Emissionsminderung) festlegt, ist sie nicht unmittelbar in den europäischen Mitgliedstaaten wirksam, sondern muss in nationale Gesetze umgesetzt werden. Durch eine Richtlinie werden Mindestvorschriften vorgehalten. Den Mitgliedstaaten bleibt es vorbehalten zusätzliche Schutzmaßnahmen festzulegen, die über die Zielfestlegung der Richtlinie hinausgehen. So hat z.B. Deutschland die Technische Anleitung Luft (TA-Luft) erlassen, die zur Anwendung kommt, wenn das Bundes-Immissionsschutzgesetz für bestimmte Schadstoffemissionen Regelungslücken enthält.

Zur der Transferfrage, ob es einen Bestandsschutz für bereits bestehende Werftbetriebe gibt, kommt das Gutachten zu einer eindeutigen Aussage: Alle im Rechtsgutachten dargestellten Vorschriften bezüglich prozessbezogener Emissionen und Abfällen gelten für bisher bestehende Werften, als auch für neu gegründete Werften. Einen Bestandsschutz, wie er zum Beispiel im Baurecht angewendet wird, gibt es für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen nicht.

Es gibt vereinzelte Ausnahmen für Schiffbaubetriebe, z.B. bei der 31. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes[4]. Die Verordnung regelt die Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen bei der Verwendung organischer Lösemittel. Die festgelegten Emissionsgrenzwerte der Verordnung gelten dann nicht für Schiffbaubetriebe, wenn sie u.U. nicht einzuhalten sind. Dem zugrunde liegt die allgemeine Vorgabe für die Betriebe, schädliche Umwelteinwirkungen und, soweit möglich, Emissionen durch den Einsatz der „besten verfügbaren Techniken“ zu vermeiden. Die Ausnahme entspricht weiterhin den Vorgaben der europäischen Industrie-Emissions-Richtline.

Obwohl sich das Umweltrecht in einem stetigen Prozess der Anpassung und Änderung an neue verbesserte Technologien befindet, gibt es sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene keine konkreten Gesetzesänderungsvorschläge, die Emissionsvorschriften für Schiffbaubetriebe betreffen und verschärfen könnten.

Zusammenfassung und Ausblick
Die Erfassung der Gesamtemissionen „im Leben eines Schiffes“ wird in den kommenden Jahren ein zentrales Thema werden. Mit der Einführung von regenerativen Kraftstoffen und dem Ziel eines nahezu emissionsneutralen Schiffsbetriebes, wird die Bedeutung der Emissionen, die durch die Gestehung, das Abwracken und die Reparatur von Schiffen entstehen, immer größer werden. Das Rechtsgutachten zeigt, dass ein Großteil der Emissionen beim Bau eines Schiffes nicht auf der Werft selbst entstehen.

Auf einer Werft werden keine Schiffbauteile hergestellt, vielmehr werden die von verschiedensten Zulieferbetrieben angelieferten Bauteile zu einem Schiff zusammengefügt. Um die Emissionen beim Bau eines Schiffes besser bewerten zu können ist eine Gesamtbetrachtung, auch von Emissionen, die außerhalb der Werftbetriebe entstehen, notwendig.

Keiner der im europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister gemeldeten Schiffbaubetriebe hatte 2022 den Schwellenwert von jährlich 500 Tonnen Kohlenstoffdioxidemissionen überschritten. Zum Vergleich: Die registrierten Automobilhersteller hatten im Jahr 2022 einen durchschnittlichen CO2 Ausstoß von ca. 162.000 Tonnen.[5]

Das Deutsche Maritime Zentrum möchte in Zukunft bei der Analyse der grenzüberschreitender Emissionsbetrachtung im Schiffbau mitarbeiten. 

[1] https://stirlingdesign.fr/presses/conferences/stirling_design_paper_ssd.pdf

[2] https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:033:0001:0017:DE:PDF

[3] Flüchtige organische Verbindungen ohne Methan (Non Methane Volatile Organic Compounds NMVOC) sind Stoffe die z.B. bei der Verwendung von Reinigungsmitteln mit einem hohen Lösungsmittelanteil emittiert werden.

[4] https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_31/BJNR218100001.html

[5] https://thru.de/thrude/downloads/

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