Ralf Plump
Referent Schiffs- und Meerestechnik
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E-Mail: Plump[at]dmz-maritim.de
Will man die Folgen der Erderwärmung in noch beherrschbaren Grenzen halten, muss die Weltgemeinschaft Alternativen zu den fossilen Energieträgern finden und nutzen. Die menschengemachten Treibhausgas-Emissionen müssen auf Null gesenkt werden. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 sieht vor, dies bis 2050 zu schaffen. Auf dem Weg Richtung Emission Null soll laut anerkannter Prognosen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ein bestimmtes Budget an Emissionen nicht überschritten werden. Hierfür sind klare Ausstiegsschritte definiert worden.
Von dem notwendigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist auch die Maritime Branche und mit ihr die Schifffahrt betroffen. Mit den bisher von der IMO festgelegten effizienzsteigernden Maßnahmen zur Senkung der Emissionen in der Schifffahrt, wird die Null nicht erreicht. Um das zu schaffen, müssen die bislang eingesetzten fossilen Kraftstoffe, die an Bord in Verbrennungsmotoren und -kesseln für den Vortrieb und zur Energieversorgung eingesetzt werden, durch nachweisbar CO2eq-neutrale Energieträger ersetzt werden.
Das Deutsche Maritime Zentrum (DMZ) hat 2021 die Ramboll Deutschland GmbH beauftragt, in einer Studie eine Übersicht der für die Schifffahrt verfügbaren Kraftstoffe und Energieträger (einschließlich Verträglichkeit, Verfügbarkeit, Emissionspotenziale nach Schiffssegmenten) zu erstellen. In der Studie soll auf unterschiedliche Perspektiven (Sicht der Anwender, der Kraftstoffproduzenten und Energielieferanten, der Bunkeranbieter, der Genehmigungsgeber, der Werften, der Zulieferer) eingegangen werden. Weiterhin sollen Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, wie sich der Übergang in die CO2-Neutralität gestalten lässt und welche flankierenden Maßnahmen, Gesetze und Regularien dafür notwendig sind bzw. angepasst werden müssen.
Untersucht wurde die zurzeit im Betrieb befindliche Schiffsflotte mit Bezug zu deutschen maritimen Stakeholdern. Sie umfasst etwa 10.000 Schiffe aller Schiffstypen und -größen, von Binnen- über Kreuzfahrtschiffe bis hin zu großen Öltankern.
Die Studie ist in folgende Schwerpunkte gegliedert: 1. Kraftstoffkatalog, 2. Flottenanalyse, 3. Kraftstoffpotentiale, 4. Handlungsempfehlungen
Im ersten Teil der Studie wurden die etablierten Schiffskraftstoffe und die aus heutiger Sicht aussichtsreichsten regenerativ erzeugbaren Alternativen detailliert beschrieben und analysiert.
Untersucht wurden zum einen Heavy Fuel Oil (HFO), Marine Gas Oil (MGO), Erdgas, Liquid Natural Gas (LNG) und Liquified Petroleum Gas (LPG), die sich grundsätzlich auch regenerativ synthetisch oder auf biologischer Basis herstellen lassen. Zum anderen wurden als „neue“ Kraftstoffe Wasserstoff (H2), Methanol CH4O), Ammoniak (NH3) und „Netzstrom“ (Akkumulatoren als Speichermedium an Bord) untersucht.
Alle Kraftstoffe wurden für die Schiffsnutzung mit einem technology readiness level (TRL) und in einer SWOT-Analyse bewertet. Ferner werden die Herstellungseffizienzen (fossil/bio/E-fuel) bis zum Schiff dargestellt.
Neben Kriterien, wie derzeitige Marktpreise, Verfügbarkeiten, etc., wurden auch die jeweiligen CO2eq-Emissionen von der Herstellung bis zur Leistungserzeugung an Bord betrachtet: well to tank (WtT), plus tank-to-propeller(TtP) = well-to-propeller (WtP). Ein weiterer Fokus der Untersuchungen liegt hier beim Bunkermarkt und -preisen auch für einige Alternativ-Kraftstoffe, wie auch grauen und grünen Wasserstoff, normiert auf [$/MWh].
Im zweiten Teil wurde die oben genannte Flotte im Hinblick auf die technischen Spezifikationen und deren derzeitige Routen untersucht.
Wesentlich ist dabei die Betrachtung der derzeitigen Bunkerfrequenzen und die Analyse der Umrüstungsfähigkeit der Flotte auf die neuen Kraftstoffe. Es werden die Kraftstoffverbräuche der Flotte (Daten aus 2019) genannt, die potenziell durch alternative Kraftstoffe ersetzt werden sollen.
Ferner wurde das aktuelle Neubauvolumen weltweit dahingehend untersucht, welche Kraftstoffarten geplant sind, bzw. ob sich schon Neubauten im Auftrag / im Bau befinden, die alternative Kraftstoffe nutzen können, oder dafür potenziell vorbereitet werden. Es werden aktuelle Kosten für Umrüstungen bzw. Neubauten der Motoren- und Tanksysteme genannt, die anfallen, wenn diese alternativen Kraftstoffe kommen sollen. Auch wurden Neubau-Preise für komplette Containerschiffe mit klassischen Dieselmotoren und auch potenziell alternativen Kraftstoffen (Methanol & LNG) erhoben.
Die Analyse hat ergeben, dass die allermeisten Neubauten weiterhin mit klassischen Dieselantrieben geplant werden, bzw. die Antriebe noch nicht genannt werden. Diese Dieselmotoranlagen lassen sich aber grundsätzlich mit synthetischem Diesel (Bio oder E-Fuels) betreiben. Das hat eine Relevanz, denn Schiffe haben eine lange Lebensdauer von oft mehr als 25 Jahren.
Im dritten Teil wurden die Randbedingungen im Detail untersucht, die, je nach Schiffstyp, für eine Umrüstung eines Schiffes auf die alternativen Kraftstoffe gelten. Es werden Kriterien für den Umbau genannt und die Rahmenbedingungen (Regulatorik, erforderliche Förderprogramme, Bepreisung von CO2-Emissionen etc.) diskutiert, unter denen die Umstellung auch ökonomisch sinnvoll werden kann.
Im vierten Teil werden Empfehlungen für die erfolgreiche Etablierung neuer regenerativer Kraftstoffe für die Schifffahrt an die jeweiligen Beteiligten des Umstellungsprozesses vorgestellt. Sie betreffen den erforderlichen (internationalen) Rechtsrahmen. Hier ist die tragfähige und nachweisbare Bewertung der CO2-Emissionen und deren Dokumentation für diese Kraftstoffe von zentraler Bedeutung. Ferner sind der Ausbau von Produktionskapazitäten einschließlich einer Bunkerinfrastruktur und der Aufbau von Förderprogramm in den Hochlaufphasen voranzutreiben.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis,
- alle verflüssigten Gase und die „neuen“ Kraftstoffe Methanol und Ammoniak eine deutlich kleinere volumetrische Energiedichte zum klassischen Diesel aufweisen. Es müssen also mehr Schiffsraum für deren Lagerung an Bord vorgesehen werden oder die Bunkerfrequenzen erhöht werden.
- in der untersuchten Flotte bisher kaum alternative Kraftstoffe eingesetzt werden.
- das weltweite aktuelle Orderbuch für Neubauten ein analoges Bild zeigt. Der überwiegende Anteil der Schiffe ist auf die Erfüllung der gültigen IMO-Regeln zur Minderung der Schadstoffemissionen (Schwefel- und Stickoxide) ausgelegt, und zwar unter Verwendung der etablierten (fossilen) Schiffskraftstoffe.
- zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen bisher nahezu ausschließlich die entsprechenden Energieeffizienz-Ziele erfüllt werden. Die aktuell geltenden IMO-Ziele sehen zudem einen Einsatz von regenerativen Energieträgern nicht vor.
- ein entsprechendes gültiges Regelwerk für Feststellung der CO2-Minderung über regenerativ erzeugten Kraftstoff, auch über fuel blends, fehlt.
- nationale und internationale Regelwerke und Verordnungen fehlen.
Wie die technischen und vor allem die logistischen Lösungen in der Energieversorgung in 30 Jahren, also in einem Schiffsleben, aussehen werden ist bisher kaum absehbar.
Ein Trend zu einem bestimmten regenerativ erzeugbaren Kraftstoff, mit dem sich nicht nur Versorgung und Speicherung an Bord, sondern auch die Umsetzung in Propulsionsleistung und Stromversorgung realisieren ließe, ist bisher nicht zu erkennen. Das macht es für Besteller von erforderlicher Neubau-Tonnage zurzeit nicht einfach, sich für ein Antriebskonzept zu entscheiden. Denn mit dem Antriebskonzept soll gewährleistet werden, dass zukünftig in der Gesamtkette der Energieversorgung keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden.
Es gilt zu vermeiden, dass – wie bei der Einführung von LNG als sauberem Kraftstoff – erneut ein „Henne-Ei-Problem“ entsteht, welches über Jahrzehnte andauert. Es wäre daher zielführend, initiativ – mit entsprechender international gut abgestimmter Förderung – „grüne Schiffsrouten“ zu etablieren. Dort können Schiffe mit den alternativen Kraftstoffen verkehren und abgesichert bunkern. Wichtig ist, die technischen und logistischen Grundlagen für diese „green corridors of shipping“ zu schaffen. Sie gehören in den Kontext der Dekarbonisierung der Globalwirtschaft.