Kapt. Runa Jörgens
Leiterin Themen und Projekte
Telefon: +49 40 9999 698 - 71
E-Mail: Joergens[at]dmz-maritim.de
Das Deutsche Maritime Zentrum hat im Mai 2020 die PricewaterhouseCoopers GmbH WPG (PwC) beauftragt, eine Studie zu Finanzierungsinstrumenten in der maritimen Branche zu erstellen.
In der Studie wird der aktuelle Stand der Finanzierungsmöglichkeiten für die maritime Branche in Deutschland dargestellt und analysiert. Zudem werden Finanzierungsinstrumente an anderen wichtigen internationalen Schifffahrtsstandorten untersucht.
Die Bestandsaufnahme der Situation in Deutschland hat ergeben, dass
- die Verfügbarkeit von Fremd- und Eigenkapital im Bereich der Schiffsfinanzierung in Deutschland in den letzten zehn Jahren erheblich abgenommen hat.
- es im Bereich der deutschen Werften aufgrund des stetig zunehmenden globalen Wettbewerbsdrucks und infolge der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu weiteren Konsolidierungen kommen wird.
- es einen erheblichen Modernisierungs- und Erneuerungsbedarf für große Teile der deutschen Flotte gibt, die an die stetig wachsenden regulatorischen Anforderungen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz bzw. Energieeffizienz angepasst werden muss. Auch die fortschreitende Digitalisierung stellt die Branche vor große Herausforderungen.
Anders als in Deutschland ergreifen Regierungen an wichtigen Schifffahrtsstandorten Europas (wie z.B. in Frankreich, den Niederlanden und in Norwegen) wie auch außerhalb Europas (wie z.B. in der Volksrepublik China, in Japan und in der Republik Korea/Südkorea) umfangreiche Maßnahmen, um die Seeschifffahrt und den Schiffbau zu unterstützen. Dabei geht es um wichtige strategische Ziele, wie die Steigerung der Umweltfreundlichkeit der Seeschifffahrt, den Erhalt von Know-how und Arbeitsplätzen in der Branche sowie den Schutz des maritimen Sektors. Begründet werden diese Maßnahmen damit, dass beide Zweige als zentral für die jeweiligen Volkswirtschaften eingestuft und daher als unbedingt erhaltenswert erachtet werden.
Als Ergebnis des internationalen Vergleichs, von Fachveranstaltungen sowie Gesprächen mit Expert*innen lassen sich drei zentrale Bereiche benennen, für welche die maritime Branche in Deutschland Zugang zu nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten benötigt:
- Dekarbonisierung der Seeschifffahrt bzw. Transformation zur klimagerechten Seeschifffahrt (Stichwort: Green Shipping),
- Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Branche und der Versorgungssicherheit (wirtschaftliche und technologische maritime Souveränität) und
- Schutz der maritimen Schlüsselindustrien und -technologien zur Sicherung des notwendigen nautisch-technischen Know-hows.
Auf diese drei Bereiche konzentrieren sich die Handlungsempfehlungen der Studie. Sie sind zum einen aus den in anderen Staaten genutzten Instrumenten abgeleitet, zum anderen ergeben sie sich als Reaktion auf die Lücken der in Deutschland bereits existierenden Regularien.
Der Fokus der Empfehlungen liegt auf einer möglichst kurzfristigen Umsetzbarkeit. Die vorgeschlagenen Instrumente sollen Denkanstöße für eine vertiefte umsetzungsorientierte Diskussion zwischen Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit bieten.¹
Green Shipping
1. KfW-Programm „Energieeffizienz in der maritimen Wirtschaft“
Es wird empfohlen, bei der KfW-Förderbank ein eigenes dauerhaftes Förderfenster für die Investition in besonders klima- und umweltfreundliche Seeschiffe bzw. für die Nachrüstung von Bestandsschiffen auf emissionsarme und besonders effiziente Antriebe zu schaffen.
2. Fonds zur Investition in eine umwelt- und klimafreundlichere Küstenschiffsflotte
Es wird empfohlen, in Deutschland einen Fonds für Investitionen insbesondere in moderne Küstenschiffe aufzulegen, ähnlich dem Netherlands Ship Dept Fund (NSDF) in den Niederlanden. Dieser Fonds könnte durch eine 100%tige Tochter der auflegenden Bank gegen eine Gebühr gemanagt werden. Die Investitionssumme könnte zum einen von der auflegenden Bank kommen (die auch einen kleineren Anteil am Eigenkapital stellt), zum anderen, größeren Teil von institutionellen Investoren und aus der Privatwirtschaft. Die Investitionssumme sollte bis zu 80% durch Bundesgarantien abgesichert werden.
3. Anpassung des Green Shipping Financing Tool (GSFT) der Europäischen Investment Bank (EIB)
Es wird empfohlen, dass die Bundesregierung es ermöglicht, dass das GSFT auch von deutschen Schifffahrtsunternehmen vermehrt genutzt werden kann.
Dies wäre durch die Zwischenschaltung der KfW-Förderbank beim GSFT möglich. Eine andere Möglichkeit wäre es, dass Werften für Mittel aus dem GSFT mit einer Bank und der EIB eine Rahmenkreditvereinbarung aushandeln. Darauf basierend könnten Einzelkredite an das jeweilige Schifffahrtsunternehmen weitergeleitet werden.
4. Emissionshandelssysteme für Green Shipping nutzen
Wenn die Schifffahrt zukünftig in ein EU-Emissionshandelssystem eingebunden werden soll, müssen zeitnah Mechanismen und Maßnahmen entwickelt werden, wie die dadurch generierten Einnahmen in die Entwicklung umweltfreundlicherer und effizienterer Schiffe reinvestiert werden können.
5. Öffnung des Hermes-Deckungsinstrumentariums für inländische Schiffseigner
Es wird empfohlen, den inländischen Reedereien/Bestellern in Deutschland (wie z.B. in den Niederlanden, Frankreich und in Norwegen) die Möglichkeit der Nutzung von Exportgarantien zu eröffnen. Dies sollte möglich sein, wenn das Schiff im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt wird und ausländische Cash-Flows – durch den damit verbundenen Dienstleistungsexport – liefert.
6. Steuerliche Maßnahmen
Es werden steuerliche Maßnahmen vorgeschlagen. Hierfür kommen in Frage: a) verkürzte Abschreibungen und b) die Wiedereinführung der Reinvestitionsklausel in § 6b EstG als Alternative zur Gewinnermittlung nach Tonnage (Tonnagesteuer).
Beide Maßnahmen können Anreize für Reedereien schaffen, zukünftig in klima- und umweltfreundlichere sowie besonders energieeffiziente Schiffe zu investieren.
7. Programme zur nachhaltigen Modernisierung von Seeschiffen
Es wird empfohlen, die bereits bestehenden Programme zur nachhaltigen Modernisierung von Seeschiffen auszuweiten. Dies sollte sowohl für die Förderhöhen als auch für die Förderfähigkeit einzelner Schiffstypen gelten.
Maritime Souveränität
8. Es wird empfohlen, dass die Bundesregierung sich auf EU-Ebene für eine strategisch abgestimmte Industriepolitik einsetzt, um so einen systematischen Schutz von Schlüsselindustrien und -technologien im maritimen Bereich innerhalb der EU zu erreichen.
Know-how-Erhalt
9. Es wird empfohlen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die innovations- und produktionsfördernd sind, die die Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Branche erhalten und Arbeitsplätze sowie damit verbundenes Know-how dauerhaft sichern.
Die Kurzzusammenfassung der Studie finden Sie unter Veröffentlichungen.
Wenn Sie Rückfragen oder Interesse an der vollständigen Studie haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
1) Die Empfehlungen beziehen sich auf die Bereiche Green Shipping, maritime Souveränität und maritimen Know-how-Erhalt.