Kapt. Runa Jörgens
Leiterin Themen und Projekte
Telefon: +49 40 9999 698 - 71
E-Mail: Joergens[at]dmz-maritim.de
Wenn Handelshemmnisse den Austausch von Waren und Dienstleistungen behindern oder staatliche Eingriffe Akteure einseitig begünstigen oder benachteiligen, kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen. Das Deutsche Maritime Zentrum setzt sich dafür ein, einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland weiter zu stärken.
In den EU-Mitgliedsstaaten, so auch in Deutschland, wird für die Einfuhr von Waren aus Drittländern eine Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) erhoben. In Deutschland erfolgt die Erhebung der EUSt durch die Zollverwaltung, der Abzug der EUSt als Vorsteuer durch die (Landes-)Finanzverwaltungen.
Verfahrenstechnisch unterscheiden sich die Erhebungsverfahren in den europäischen Staaten. Im Falle von Deutschland haben Bund und Länder im Juni 2020 beschlossen, das sogenannte Fristenmodell bei der Erhebung der EUSt einzuführen. Sie wollen damit den Wettbewerbsnachteil Deutschlands gegenüber den europäischen Nachbarn ausgleichen. Das Erhebungsverfahren ist seit dem 1. Dezember 2020 in Kraft und soll 2023 durch das Bundesfinanzministerium evaluiert werden.
Das Deutsche Maritime Zentrum hatte im Frühjahr 2021 eine Studie an die Hanseatic Transport Consultancy Dr. Ninnenmann & Dr. Rössler GbR und die AWB Rechtsanwaltsgesellschaft mbh vergeben, in der die Einführung des neuen Erhebungsverfahrens gutachterlich begleitet wurde. Sie soll eine fundierte Basis (für die verantwortliche Verwaltung) zur Entscheidungsfindung zur möglichen Einführung des Verrechnungsmodells schaffen.
Untersucht werden sollten die unterschiedlichen Erhebungsverfahren der EUSt in den EU-Mitgliedsstaaten, in denen Einfuhren über Seehäfen eine bedeutende Rolle spielen. Neben Deutschland sind dies die Erhebungsverfahren in Belgien, Frankreich, Slowenien, Polen, Italien, Griechenland und den Niederlanden.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Mitgliedsstaaten (anders als Deutschland), die von der durch die europäische Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie eingeräumte Möglichkeit zur Vereinfachung des Erhebungsverfahrens der EUSt nutzen. Die Staaten haben dafür entsprechende Regelungen zur Verrechnung von EUSt und Vorsteuer in das nationale Recht eingeführt. Die einzelnen nationalen Verfahren sind jedoch unterschiedlich ausgestaltet.
Das von Bund und Ländern in Deutschland eingeführte Fristenmodell kann den Wettbewerbsnachteil Deutschlands gegenüber den europäischen Nachbarn nicht ausgleichen, eine Steigerung der Drittlandeinfuhren konnte in der Studie nicht belegt werden. Trotz verschobener Zahlungsfälligkeit bindet das Fristenmodell (folglich die nach hinten verschobene Fälligkeit) weiterhin Kapital bei den Importeuren.
Diese Bindung von Kapital/Liquidität ist nicht zwingend notwendig. Die europäische Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie gestattet den EU-Mitgliedsstaaten, die geschuldete EUSt erst in der Umsatzsteuerklärung zu entrichten. Damit entfällt die Zahlung zum Zeitpunkt der Einfuhr, erfolgt also nicht beim Eingang der Waren in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union. Diese Verrechnung in der Umsatzsteuererklärung schont die Liquidität der Steuerpflichtigen. Die Unternehmer müssten die EUSt nicht an die Zollverwaltung entrichten, sondern würden sie im Rahmen ihrer periodischen Umsatzsteuer-Voranmeldung in Ansatz bringen.
Dieses durch die EU-Richtlinie ermöglichte sogenannte Verrechnungsmodell, wird von der überwiegenden Anzahl der EU-Mitgliedsstaaten bereits heute angewandt. Sie haben damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem deutschen Logistikstandort.
Um diesen Wettbewerbsnachteil Deutschlands insbesondere gegenüber den deutschen Anrainerstaaten auszugleichen, geben die Autoren der Studie u.a. folgende Handlungsempfehlungen:
- EU-Handlungsrahmen nutzen und Einführung eines Erhebungsverfahrens nach Verrechnungslogik vorantreiben
- Erfahrungen der europäischen Nachbarstaaten nutzen (mögliche Vorlagen bieten die in Frankreich, Belgien und den Niederlanden praktizierten Erhebungsverfahren)
- Deutsches Modell der Direktverrechnung entwickeln und umsetzen
- Umstellungsprozess aktiv begleiten und mit Kommunikations- und Aufklärungsmaßnahmen flankieren
- In der Übergangsphase: Rahmenbedingungen und den Zugang zum Fristenmodell vereinfachen; Hürden für Aufschubkonten senken und für jede/n verfügbar machen; aktiv für Nutzung eines eigenen Aufschubkontos werben
Das Deutsche Maritime Zentrum wird die Thematik weiter begleiten und erwartet mit Spannung die Evaluation durch das Bundesfinanzministerium.