Maritime Research Forum 2019 – Interviews

Interviews mit Expert*innen zu E-Fuels in Großmotoren, Windkraft- und Wasserstoffanwendungen, Energiespeicher / Brennstoffzellen und Synthetische Kraftstoffe
06.11.2019

Sebastian Apenbrink M.Sc.

Institut für Land- und Seeverkehr, Technische Universität Berlin

Elektra wird hybrid-elektrisch betrieben

 

Interview über das Projekt ELEKTRA

Woran forschen Sie?
Im Mittelpunkt unserer Forschung steht die Entwicklung eines emissionsfreien Energiesystems, welches am Beispiel des Binnenschubbootes ELEKTRA realisiert wird. Mittels Akkumulatoren und wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen wird es hybrid-elektrisch betrieben und ist somit in der Lage, Transporte emissionsfrei durchzuführen.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Mit dem Projekt ELEKTRA wird die Marktposition der deutschen maritimen Industrie hinsichtlich ihrer technologischen Kompetenz im Bereich der emissionsfreien maritimen Elektromobilität substanziell gestärkt.

Was fasziniert Sie daran?
Faszinierend ist, dass im Projekt ELEKTRA ein echter Versuchsträger als Innovation in Form eines Binnenschubbootes entsteht, mit dem das Energiemanagement zwischen den verschiedenen Energieträgern erforscht wird und zusätzlich wichtige Erkenntnisse über das Human-Machine-Interface erzielt werden.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Neben der Optimierung der Einzelkomponenten des emissionsfreien Energiesystems und deren Zusammenspiel sind der Ausbau der Infrastruktur für Wasserstoff- und Energietankstellen in allen Bereichen der E-Mobilität sowie eine Produktionsoffensive für grünen Wasserstoff entscheidend.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Oft entsteht der Eindruck, dass als Ersatz für fossile Energieträger eine einzige Alternative für alle Bereiche gefunden werden muss. Wir sind der Auffassung, dass jeder Bereich seine Lösung finden wird und mehrere Alternativen grüner Energienutzung berechtigt nebeneinander oder miteinander entstehen werden.

Dr.-Ing. habil. Christian Jochum

ENSTA Bretagne

Wenn große Schiffe wieder den Wind als Energiequelle nutzen

 

Interview über Kites und starre Segel

Woran forschen Sie?
Wir arbeiten an Zusatzantriebsystemen für Schiffe und zwar am Einsatz von Kites und starren Segeln. Es geht um Fragen der Interaktion von Strömung und Struktur, um die Manövrierfähigkeit, die Seetüchtigkeit und die Festigkeit sowie die Entwicklung von neuen Designs und Werkstoffen.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Das Zusatzantriebsystem nutzt Wind als Energiequelle. Das spart Kraftstoff und reduziert dadurch Emissionen. Und wären es auch nur ein paar Prozent, so wäre das schon super für die Umwelt. Die neuen Materialien und Technologien sind viel effizienter als das herkömmliche Segelmaterial, sie bieten dadurch neue und bessere Alternativen.

Was fasziniert Sie daran?
Die ENSTA Bretagne, also die Uni, an der ich arbeite und forsche, liegt in Brest, direkt an der Küste – wir haben die Motivation direkt aus dem Meer vor Ort. Ich finde es faszinierend, wenn eines Tages große Schiffe wieder den Wind als Energiequelle nutzen. Wir sind davon überzeugt, dass wir technisch neue Produkte entwickeln können, die den Wind weit effektiver nutzen als bisher.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Die wissenschaftlichen Stufen haben wir schon durch vier Promotionen gut aufgegriffen. Wir sind jetzt bereit in die Praxistests einzusteigen und die sind uns wirklich wichtig. Wir müssen  jetzt wissen, was funktioniert und was nicht. Die Modellierung ist ein Schwerpunkt. Aber neben dem Design, sind Praxistests zur Erhebung von Daten für eine industrielle Anwendung unbedingt notwendig. Wir haben schon erste Ergebnisse durch unsere Tests mit dem KiteLab auf einem kleinen Schiff. Nun gilt es, die Versuche auf größere Schiffe auszudehnen.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Unser Fachgebiet, der Schiffbau, ist eine klassische Ingenieurswissenschaft. Auf der Basis etablierter Ansätze und Methoden gab und gibt es immer Raum für Verbesserungen, die für Außenstehende nicht immer leicht nachzuvollziehen sind.Das ist mit unseren Kites und starren Segeln etwas anderes, denn wir probieren – auf Basis des Wissens im Schiffbau – etwas völlig Neues.

Dr. Nils Meyer-Larsen

ISL Institut für Seeverkehrswirtschaft
und Logistik

Entscheidend ist unsere exzellente Vernetzung

 

Interview über maritime Logistik

Woran forschen Sie?
Das ISL Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik wurde 1954 in Bremen gegründet. Mit der Verbindung von Tradition und moderner Wissenschaft haben wir uns seither als eines der europaweit führenden Institute für Forschung, Beratung und Know-how-Transfer in der maritimen Logistik positioniert. Unsere Kompetenzfelder sind Maritime Environment, Maritime Intelligence, Maritime Security, Maritime Transport Chains und Maritime Simulation – wir sind dabei weltweit im Einsatz.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
In enger Zusammenarbeit mit Praktikern aus der maritimen Branche, Behörden und wissenschaftlichen Einrichtungen erforschen wir neue Konzepte, erarbeiten innovative Lösungen und beobachten Entwicklungen und Trends. Wir ermöglichen es unseren Partnern aus Seeverkehrswirtschaft und Logistik mit fundiertem Fachwissen und durch die Bereitstellung von individuell zugeschnittenen Daten, bessere Entscheidungen schneller treffen zu können und Geschäftsabläufe zu optimieren. Insgesamt sorgen wir für den Transfer von Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Forschung in die Praxis zu den Unternehmen und in die politische Diskussion.

Was fasziniert Sie daran?
Es ist faszinierend, wie durch enge Kooperation mit Praktikern und Kooperationspartnern immer wieder neue, innovative Konzepte und Lösungen entstehen, die die Prozesse in der maritimen Welt weiter verbessern. Auch die verbesserte Nutzung und Verknüpfung von Daten, z.B. im Rahmen unserer Simulations- und Güterverkehrsmodelle, ermöglicht uns stets neue Erkenntnisse und erweiterte Dienstleistungen.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Entscheidend wird auch in Zukunft unsere exzellente Vernetzung sein, sowohl mit den Praktikern aus der maritimen Branche als auch mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, um gemeinsam zukunftsweisende Konzepte und Lösungen zu entwickeln. Wir haben dabei einerseits neue Dienstleistungen im Fokus, beispielsweise Prognosen mit neuen Modellen zu Datenauswertungen, andererseits den Einsatz neuer Technologien in der maritimen Logistik im Rahmen der Digitalisierung.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Als Physiker finde ich das Thema Wasserstoff und seine Anwendung im maritimen Bereich äußerst spannend. Obwohl das Themenfeld nicht neu ist, scheint jetzt die Zeit reif zu sein für mannigfaltige Einsatzgebiete von Wasserstoff-Technologien. Jetzt gilt es, die Potenziale auszuloten und, wo sinnvoll, Anwendungen möglichst zügig in die Realität zu überführen.

Dipl.-Ing. Benjamin Stengel

Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren, Universität Rostock

Verbrennungs­kraftmaschine fit für die Zukunft machen

 

Interview über CO2-Neutralität

Woran forschen Sie?
Wir forschen an der Nutzung CO2-neutraler Kraftstoffe in modernen Großmotoren. Auf den gesamten Transportsektor kommen in naher Zukunft große Herausforderungen zu, um die Treibhausgas-Emissionen in diesem Bereich massiv zu reduzieren.
Bedenkt man, dass Schiffe, die heute gebaut werden, auch noch in 25 Jahren in Betrieb sein werden, muss man für bestehende Technologien Möglichkeiten zur CO2-Reduktion nutzen. Batterie-elektrische Antriebe machen auf Schiffen wegen des niedrigen Energiegehalts von Batterien nur selten Sinn, Brennstoffzellen sind zu teuer und noch nicht marktreif. Aber aus regenerativem Strom, Wasser und Kohlendioxid hergestellte Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, bieten die Möglichkeit, die CO2-Emissionen im Schiffssektor signifikant zu senken, ohne den Antriebsstrang kostenintensiv ändern zu müssen. Damit dies gelingen kann, untersuchen wir, welche Auswirkungen E-Fuels auf die Verbrennung und Emissionsentstehung in Großmotoren haben und wie man deren Potenziale optimal nutzen kann.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Verglichen mit der Emissionsgesetzgebung im Onroad-Sektor, sind Schadstoffe im maritimen Bereich bislang weit weniger streng reglementiert. Dies führt insbesondere auf den Weltmeeren zur Nutzung von Rückstandskraftstoffen wie z. B. Schweröl. Das Schweröl muss an Bord des Schiffes erst aufwendig für die Nutzung im Motor erwärmt und separiert werden. E-Fuels hingegen sind sehr saubere und niedrigviskose, also dünnflüssige Kraftstoffe, die keine umfangreiche Aufbereitung an Bord benötigen. Mit E-Fuels ist zudem die Nutzung erweiterter Abgas-Nachbehandlungssysteme wie Oxidations-Katalysatoren und Partikelfilter denkbar, mit denen der Schadstoffausstoß auf Pkw-Niveau sinken könnte.
Gegenüber batterie-elektrischen Antrieben und Brennstoffzellen bieten E-Fuels ähnliche Reichweiten wie die bisher genutzten Antriebsstoffe. Die Abwärme der Verbrennungskraftmaschine könnte weiterhin für Stromerzeugung und Warmwasser genutzt werden.

Was fasziniert Sie daran?
Die Begrenzung der Erderwärmung und des Klimawandels sind die zentralen Herausforderungen in den nächsten Jahrzehnten für unsere Gesellschaft. Mit unserer Forschung tragen wir aktiv dazu bei, Lösungen zu finden, um unsere Klimaziele zu erreichen. Ich finde es faszinierend, die Verbrennungskraftmaschine mit ihrem maschinenbaulichen Charme fit für eine CO2-neutrale Zukunft zu machen.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
In den nächsten fünf Jahren werden wir eine deutliche Erweiterung der Kraftstoffvielfalt sehen. Dies betrifft zunächst fossile Kraftstoffe für den maritimen Sektor durch strengere Abgasvorschriften ab 2020. Durch die zunehmende Bepreisung von Technologien anhand ihrer Gesamt-CO2-Bilanz werden E-Fuels ihren Kostennachteil kompensieren können und verstärkt in den Markt drängen. Mischbarkeit mit bestehenden Kraftstoffen und die Entwicklung kraftstoffangepasster Brennverfahren sind dabei wichtige Themen, die wir durch unsere Forschung auch in Zukunft aktiv mitgestalten werden.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Deutschland kann und muss im Bereich Klimaschutz vorausgehen. Batterie-elektrische Antriebe allein werden das Klima nicht retten, aber Teil des Prozesses sein, genau wie der Verbrennungsmotor. Hierfür wünsche ich mir in Zukunft in den Medien mehr faktenbasierte öffentliche Diskussionen und Sachverstand statt Lobbyarbeit für politische Entscheidungen.

Robert Hankers M.Sc.

Fakultät für Elektrotechnik,
Helmut-Schmidt-Universität

Ein auf Wasserstoff basierendes Energiesystem und dessen Potenzial

 

Interview über das Projekt HyReflexS

Woran forschen Sie?
Derzeit erforschen wir das systemische Zusammenspiel der Technologien Elektrolyseur und Brennstoffzelle in der Sektorkopplung zur Anwendung in stationären Notstromsystemen. In Kombination mit der Integration von Metallhydrid-Wasserstoffspeichern wird eine direkte Kopplung von Strom- und Gasnetz ermöglicht. So kann einerseits die Gasnetz-Infrastruktur selber als Wasserstoffspeicher zur Verfügung stehen und beträchtliche Speicherleistungen erbringen. Zum anderen kann ein finanzieller Vorteil durch den Betrieb des Systems als Regelkraftwerk entstehen.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Durch den Ersatz herkömmlicher (Diesel-)Notstromaggregate kann sowohl die Verwendung von CO2-neutralen Energieträgern erreicht als auch ein finanzieller Mehrwert, zum Beispiel durch die Glättung von Lastkurven, erzielt werden. Vor dem Hintergrund eines anzunehmenden Anstiegs der Verwendung von Brennstoffzellen für Schiffsantriebe erlangen die technologischen Entwicklungen zur Kopplung von Strom- und Wasserstoffsektor eine zunehmende Bedeutung. Gerade im Hafenbereich gibt es eine Vielzahl von Must-Run-Units, die auf eine zuverlässige Notstromversorgung angewiesen sind. Fehlerfälle sind hingegen relativ selten, so dass diese Notstromsysteme die meiste Zeit netzdienlich und somit wirtschaftlich vorteilhaft betrieben werden könnten.

Was fasziniert Sie daran?
Ein auf Wasserstoff basierendes Energiesystem birgt ein enormes Potenzial, das wir gerade erst beginnen, für uns zu entdecken. Die Möglichkeit, die Netzinfrastruktur selbst zur Speicherung des Energieträgers zu verwenden und somit große Speicherleistungen zu erzielen, bietet ganz neue Möglichkeiten für die graduelle Implementierung von Wasserstoff-Technologien in zahlreichen Technologiebereichen. Durch die Kopplung der Versorgungsnetze kann zudem die regenerativ erzeugte Energie von Windkraft- und Photovoltaikanlagen langfristig gespeichert werden, was die Versorgungssicherheit erhöht und den Ausstoß von Treibhausgasen reduziert.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Ein sehr wichtiger Aspekt für die generelle Akzeptanz von Wasserstoff-Technologien ist der weitere Ausbau der Infrastruktur. Das bekannte Henne-Ei-Problem (keine Nutzer ohne Ausbau, kein Ausbau ohne Nutzer) kann nur durch kontinuierliche Weiterentwicklung der Systeme erreicht werden, so dass ein Einsatz von Brennstoffzellen und Elektrolyseuren wirtschaftlich vorteilhafter wird. Genau an diesem Punkt setzt unser Forschungsprojekt an, mit dem wir die Umstellung auf regenerative Energiesysteme erreichen möchten.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Füchse sind gar keine Rudeltiere.

Thilo Jürgens-Tatje M.Sc.

Technische Universität Hamburg

Mich fasziniert der große Hebel den Schiffs­kraftstoffe in Bezug auf den Klimaschutz bieten

 

Interview über seine Forschungen zu Methanol

Woran forschen Sie?
Wir untersuchen, welche Anpassungen im Schiffbau und in der Hafeninfrastruktur durch den Wechsel zu klimaneutralen Schiffskraftstoffen notwendig sein werden. Unser Fokus liegt dabei auf regenerativ-synthetisch erzeugtem Methanol. Dabei beleuchten wir die gesamte Bereitstellungskette von der Anlieferung in den Hafen, über den Bunkervorgang und das Kraftstoffsystem an Bord bis zum Motor.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Damit die klimaschädlichen Emissionen im Verkehrssektor so schnell wie möglich gesenkt werden können, ist die Suche nach technischen und politischen Lösungen in allen Verkehrssparten dringend notwendig. Im Bereich Schienen- und Straßenverkehr sehen wir inzwischen Lösungsansätze, die sich durch eine fortschreitende Elektrifizierung durch Batterie und Oberleitung abbilden. Auch im wasserseitigen Kurzstreckenverkehr finden sich in der letzten Zeit vermehrt hybrid- und vollelektrische Schiffsneubauten. Ganz anders sieht es aktuell im wasserseitigen Langstreckenverkehr aus. Dort gibt es bis heute keine vollständig realisierte klimaneutrale Lösung. Hier setzen die regenerativ synthetisch erzeugten Kraftstoffe an. Durch sie wird eine komplette Defossilisierung der maritimen Industrie technisch möglich.

Was fasziniert Sie daran?
Besonders fasziniert mich der große Hebel, den Schiffskraftstoffe in Bezug auf den Klimaschutz bieten. Der Anteil des internationalen Seeverkehrs an den weltweiten klimaschädlichen Emissionen liegt bei ca. 2,2 %. Das klingt zunächst sehr wenig. Verglichen mit den gesamten Emissionen eines großen Industrielandes wie Deutschland, das etwa einen Anteil von 2,3% trägt, erscheinen diese Emissionen dann aber doch sehr erheblich. Im Seeverkehr ließe sich mit der Umstellung auf klimaneutrale Kraftstoffe also durch nur eine, wenn auch extrem tief greifende, Maßnahme sehr viel erreichen.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Wichtig ist es vor allem, welche Rahmenbedingungen durch die internationale Politik geschaffen werden. Keiner der aktuell diskutierten klimaneutralen Kraftstoffe ist ohne politisches Eingreifen konkurrenzfähig gegenüber konventionellen Schiffskraftstoffen wie Diesel oder Schweröl. Ohne wirtschaftliche Vorteile werden Schiffsbetreiber jedoch kaum auf klimaneutralen Kraftstoff umsteigen.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Müssten wir den Seeverkehr in der Energiewende und der Sektor Kopplung stärker berücksichtigen?
Ja! Für die Bereitstellung klimaneutraler Kraftstoffe im Seeverkehr wird enorm viel elektrische Leistung benötigt. Um diese Leistungssteigerung im Stromnetz stemmen zu können, müssen wir noch viel massiver in Kraftwerke auf Basis erneuerbarer Energien investieren und für alle stromverbrauchenden Anwendungen radikal die effizientesten Lösungen einsetzen. Das bedeutet beispielsweise anzuerkennen, dass die klimaneutralen Kraftstoffe, die besonders ineffizient sind, nur dort eingesetzt werden sollten, wo es derzeit keine technische Alternative gibt: im See- und Luftverkehr.

Marcel Pietsch M.Sc.

Institut für Antriebssystemtechnik, Helmut-Schmidt-Universität

Es wird auch noch in 30 Jahren Verbrennungs­motoren geben

 

Interview über alternative Dieselkraftstoffe

Woran forschen Sie?
Ich untersuche den Verbrennungsablauf von alternativen Dieselkraftstoffen und dessen Auswirkung auf die dieselmotorische Verbrennung. Dabei geht es um Verfahrensentwicklung und die Schaffung von Vergleichsmöglichkeiten für verschiedene Kraftstoffe. Das Ganze natürlich unter Berücksichtigung der Emissionen.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Der Verbrennungsmotor als Antrieb ist aus der maritimen Branche nicht wegzudenken, doch die Emissionen sind zu hoch und Notwendigkeit der Nachhaltigkeit der Kraftstoffe gelangt immer mehr in den Fokus. Nachhaltigere bis CO2-neutrale Kraftstoffe wie E-Fuels oder synthetische Kraftstoffe können hier zu einer Lösung der Abgasproblematik beitragen. Wenn man einen flüssigen fossilen Energieträger gegen einen mit einer günstigeren CO2-Bilanz tauscht, muss an Bord gar nicht so viel verändert werden, um nachhaltiger und somit „grüner“ zu fahren.

Was fasziniert Sie daran?
Mich fasziniert der zunächst simple Gedanke, etwas nicht Nachhaltiges durch etwas nachhaltigeres zu ersetzen, ohne dass die Mobilität darunter leidet. Mit der Zeit lernt man dann aber die nicht unerheblichen Schwierigkeiten kennen.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Die Grundstoffe aus denen Kraftstoffe gewonnen werden, werden immer vielfältiger und so nimmt auch die Vielfalt der Kraftstoffe stetig zu. Es gibt viele neue Prozesse und Verfahren und wir sind mittlerweile bei sogenannten Designer-Kraftstoffen angelangt. Fachleute entwickeln die Kraftstoffe hinsichtlich ihrer Eigenschaften fokussiert auf den eigentlichen Bedarf eines speziellen Verbrennungsmotors. Dies ist eine komplett andere Herangehensweise als fossile Kraftstoffe es erlauben. Aus nachhaltigen Grundstoffen kann ein idealer Kraftstoff für einen Verbrennungsmotor entwickelt werden, dessen CO2-Bilanz zudem neutral ist. Allerdings besteht noch viel Forschungsbedarf.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Andersherum ist es einfacher: Ich werde ständig gefragt, was wir denn noch an einer so alten Technik wie dem Verbrennungsmotor erforschen wollen, den es doch in 30 Jahren nicht mehr geben werde. Ich sehe aber gerade in der Vielfalt der Antriebstechnologien die Möglichkeit, dass sich die Stärken einzelner Lösungen in ihren jeweiligen Anwendungen durchsetzen können. Ich denke, es wird auch noch in 30 Jahren Verbrennungsmotoren als Antrieb großer und schwerer Fahrzeuge geben. Mit welchem Kraftstoff sie betrieben werden, das steht noch nicht fest.

Oliver Zöllner

Oel-Waerme-Institut gGmbH, Aachen

Unser Brennstoff­zellen­system kann die CO₂-Emissionen der Bord­strom&versorgung um ein Viertel reduzieren

 

Interview über seine Forschung

Woran forschen Sie?
Wir forschen an einem auf Diesel basierenden Brennstoffzellensystem zur Bordstromversorgung von Schiffen. Die Hauptaufgabe des Oel-Waerme-Instituts ist die Entwicklung des Prozessgaserzeugers, der den Dieselkraftstoff mittels Dampfreformierung in ein wasserstoffreiches Gas umwandelt. Dieses kann anschließend in einer Hochtemperaturbrennstoffzelle direkt zur Stromerzeugung genutzt werden. Der Prozess funktioniert, das haben wir in Laborversuchen und in einer Pilotanlage nachgewiesen. Es gibt aber noch Herausforderungen, die wir meistern müssen, wie die Verlängerung der Lebensdauer des eingesetzten Katalysators und die die Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades des Gesamtsystems.

Welche Verbesserungen bringt dies für die maritime Branche?
Die internationale Seeschifffahrt ist für ca. 2,6% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und belastet zudem die Luft in Hafengebieten mit Feinstaub und Stickoxiden. Das von uns entwickelte Brennstoffzellensystem kann, im Vergleich zur Bordstromversorgung mit Dieselgeneratoren oder Gasturbinen, die CO2-Emissionen um ein Viertel und den Ausstoß von Luftschadstoffen um 99% reduzieren. Es trägt damit zur Erreichung der Klimaschutzziele bei und kann zudem die Luftqualität in Hafengebieten deutlich verbessern. Die Nutzung von Diesel als Energiequelle ermöglicht eine einfache Nachrüstung des Systems. Die Schaffung einer Wasserstoffinfrastruktur in Häfen sowie die Installation von Wasserstofftanks auf Schiffen ist daher aus unserer Sicht nicht notwendig. Der Betrieb des Systems ist prinzipiell auch mit synthetischen Kraftstoffen möglich, ohne die eine Dekarbonisierung der Schifffahrt derzeit unwahrscheinlich ist.

Was fasziniert Sie daran?
Im Hinblick auf die Klimaschutzziele fokussieren sich die Bemühungen der Politik zurzeit vor allem auf den Elektrizitätssektor. Die Konzentration auf die Elektrifizierung gilt auch für den Verkehrs- und Wärmebereich. Im Schifffahrtsbereich erscheint eine Abkehr von flüssigen Kraftstoffen aufgrund ihrer hohen Energiedichte jedoch sehr unwahrscheinlich. Hier kann aber mit innovativen energie-effizienten Konzepten auf Basis flüssiger Energieträger ein erheblicher Beitrag zur Minimierung von Umweltauswirkungen erreicht werden.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Die internationalen Ziele zum Klimaschutz finden nun Umsetzung in der nationalen Gesetzgebung. Effizienztechnologien und klimaschonende Energieträger sind unerlässlich um die Klimaschutzziele zu erreichen. Wir sind davon überzeugt, dass flüssige Energieträger aus synthetischen und biogenen Quellen in den nächsten Jahren einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten werden. Sowohl auf der Produktionsseite, als auch auf der Anwendungsseite besteht noch ein großer Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Insbesondere Hafenstädte sehen sich im Kontext der Luftreinhaltung mit zunehmendem Handlungsdrang bezüglich Feinstaub und Stickoxiden konfrontiert. Hafeninterne Vorgaben, die vor allem die Bordstromversorgung betreffen, werden daher in naher Zukunft vielerorts in Kraft treten. Hierfür wird unser System flüssigen Energieträgern mit hoher Energiedichte auch bei strengsten Vorgaben ermöglichen, eine tragende Rolle zu spielen.

Dr.-Ing. Julian Jepsen

Helmut Schmidt Universität/
Helmholtz-Zentrum Geesthacht

Die Energiedichte kann mehr als verdoppelt werden

 

Interview über seine Forschung an Metallhydriden

Woran forschen Sie?
An der Speicherung von Wasserstoff in einem Feststoff, in sogenannten Metallhydriden. Diese saugen den Wasserstoff auf, wie ein Schwamm.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Einen kompakten und sicheren Energiespeicher für den Antrieb und/oder die Bordstromversorgung. Die Energiedichte kann mehr als verdoppelt werden, im Vergleich zu konventionellen Wasserstoff-Druckspeichern.

Was fasziniert Sie daran?
Die hohe (globale) Relevanz im Zeichen des Klimawandels. Nur durch den Verzicht auf fossile Energieträger hin zu einer Wasserstoff-Technologie basierend auf regenerativ erzeugtem Wasserstoff, sind die Klimaziele der Bundesregierung und der Vereinten Nationen zu erreichen.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
(Zivile) Demonstrationsprojekte, welche die Praxistauglichkeit auch im großen Maßstab zeigen. Dabei gilt es vor allem, die Bekanntheit dieser Technologie zu fördern und einem breiteren Publikum zu präsentieren. Die eigentliche Praxistauglichkeit wird seit vielen Jahren schon in der militärischen Anwendung (U-Boote) demonstriert.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Ist diese Technologie skalierbar? Ja, sie ist von Kleinstanwendungen, wie Glidern, bis hin zu Großanwendungen, wie dem Hauptantrieb eines Containerschiffes, skalierbar.

Alexander Lehmann M.Sc.

Institut für Antriebssystemtechnik,
Helmut-Schmidt-Universität

Methan besitzt einzigartige Eigenschaften – der ottomotorische Gasantrieb

 

Interview über den ottomotorischen Gasantrieb.

Woran forschen Sie?
Gegenstand meiner Forschung ist der Betrieb des Pkw-Ottomotors mit dem Kraftstoff Methan. Hierbei werden sowohl die Vorgänge der Gemischbildung als auch die Verbrennung im Brennraum und die Emissionen im Abgas untersucht.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Sowohl die Effizienz als auch die Emissionen eines Verbrennungsmotors sind für den Landverkehr wie auch für den Schiffsverkehr von größtem Interesse. Der aktuelle Trend in der maritimen Branche geht in Richtung des Betriebs von Motoren mit LNG. Einige Aspekte aus den Untersuchungen an den Pkw-Motoren können möglicherweise auch für den Betrieb von Großmotoren interessant werden.

Was fasziniert sie daran?
Methan, welches den Großteil von Erdgas ausmacht, besitzt trotz der einfachsten Beschaffenheit unter den Alkanen einzigartige Eigenschaften, die den Ausstoß gesetzlich limitierter Abgaskomponenten eines Verbrennungsmotors signifikant senken können.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Die Antriebsgestaltung im Fahrzeugsegment befindet sich momentan in einem großen Umbruch. Hieraus wird sich eine weitere Diversität an Antrieben entwickeln, die besser an bestimmte Randbedingungen angepasst sein werden. Erdgas als Kraftstoff ermöglicht im Idealfall eine Verbrauchseinsparung von bis zu 25% gegenüber Benzin. Durch den Einsatz von synthetischem Methan kann ein Motor beinahe CO2-neutral betrieben werden. Durch den Ausbau der regenerativen Kraftstofferzeugung und die Vorgaben, den CO2-Ausstoß zu senken, könnten erdgasbetriebene Motoren (CNG) in Zukunft in allen Bereichen vertreten sein.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Man wird nie gefragt, ob man ein CNG-Auto fahren sollte, sondern nur Diesel-, Benzin- oder doch Elektroautos. Bereits jetzt ist das CNG-Fahrzeug zu einer Alternative herangewachsen, die für bestimmte Anwender sinnvoller sein kann als „konventionelle“ Antriebe.

Philip Schmit

Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Hochschule
für Technik und Wirtschaft des Saarlandes

Das öffentliche Erdgasnetz bietet eine Infrastruktur für Transport und Verteilung des synthetischen Erdgases

 

Interview über BEST – ein Biotechnologisches Verfahren zur Erzeugung von synthetischem Erdgas

Woran forschen Sie?
Wir haben am Institut für Technologietransfer FITT der htw saar mit dem BioEnergySTorage (BEST)-Prozess ein Verfahren entwickelt, in dem Mikroorganismen CO2 zusammen mit Wasserstoff zu synthetischem Erdgas (SNG) umwandeln. Das CO2 kann in dem Prozess aus Emissionen industrieller Prozesse stammen und zugleich dazu beitragen, CO2-Emissionen zu senken. Bei der Nutzung des synthetischen Erdgases, z.B. als Liquified Natural Gas (LNG), in der maritimen Branche wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor durch die Organismen im Methan gebunden wurde. Da die Nutzung von synthetischem Erdgas fossiles Erdgas ersetzt, erfolgt die Nutzung von SNG/LNG als CO2-neutraler Energieträger.

Welche Verbesserungen bringt das (für die maritime Branche)?
Die Nutzung von LNG ermöglicht eine signifikante Reduzierung der Emissionen von Schwefel- und Stickstoffverbindungen. Wenn wir synthetisches Erdgas verwenden, wird die Nutzung darüber hinaus CO2-neutral. Das synthetische Methan kann gleichermaßen zum Antrieb wie auch zur Stromgewinnung an Bord von Schiffen verwendet werden.

Was fasziniert Sie daran?
Mit dem öffentlichen Erdgasnetz steht bereits eine Infrastruktur für den Transport und die Verteilung des synthetischen Erdgases zur Verfügung. Dieses muss also nicht unbedingt im Hafen produziert und direkt auf den Schiffen genutzt werden. Es kann an beliebigen Standorten (z.B. in der Nähe großer CO2-emittierender Industriebetriebe) erzeugt werden, an denen geeignete Bedingungen herrschen. Die Herstellung des Wasserstoffs in der Elektrolyse kann dabei zusätzlich so erfolgen, dass das elektrische Netz gezielt entlastet oder erneuerbare Energie unmittelbar zur Gewinnung des SNG genutzt wird.

Was wird in Ihrem Forschungsbereich wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Die BEST-Technologie wird derzeit im halbtechnischen Maßstab erprobt. In den kommenden Jahren wollen wir den Prozess in großtechnischem Maßstab umsetzen. Entscheidend dafür wird sein, dass die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass CO2-neutrale Technologien gegenüber herkömmlichen Technologien wirtschaftlich konkurrenzfähig werden. Dazu braucht es auch den Mut der Anwender, innovative und nachhaltige Technologien einzusetzen und „BEST-practice“ Modelle zu erproben.

Was werden Sie nie gefragt, würden Sie aber gerne mal sagen?
Wenn die CO2-Emissionen weltweit und nachhaltig gesenkt werden sollen, um den Klimawandel auf ein akzeptables Niveau zu begrenzen, müssen kohlenstoffbasierte Energieträger nicht in jedem Prozess unmittelbar vor Ort vermieden werden. Entscheidend ist vielmehr, dass die Summe der Emissionen durch die Verwertung fossiler Energieträger aller Sektoren, Staaten und Prozesse gesenkt wird. Auf den maritimen Sektor übertragen bedeutet dies, dass ein CO2-neutraler Einsatz von LNG in der Schifffahrt auch möglich ist, wenn Rückgewinnung von CO2aus leichter zugänglichen Prozessen an Land erfolgt und das Erdgas über das Erdgasnetz in die Häfen transportiert wird.

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