Das Deutsche Maritime Zentrum hat im Frühjahr 2021 eine Studie in Auftrag gegeben, die die Einführung des seit Dezember 2020 geltenden Fristenmodells bei der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer gutachterlich begleitet. Beim Fristenmodell muss die Einfuhrumsatzsteuer nicht mehr direkt bei Warenanlieferung beim Zoll beglichen werden, sondern kann vom Unternehmen am 26. Tag des zweiten auf die Einfuhr folgenden Monats entrichtet werden.
Die Studie soll eine fundierte Grundlage für die Evaluierung des Fristenmodells im Jahr 2023 bieten, indem sie die Marktentwicklung beobachtet. Es soll untersucht werden, wie Verfahren für die Importeure und die Verwaltung vereinfacht und damit die Attraktivität des maritimen Standorts Deutschland gestärkt werden können. Die ersten Zwischenergebnisse, die auch die Entwicklung von Marktanteilen relevanter europäischer Standorte im Vergleich zu deutschen Standorten ermitteln und dokumentieren wird, wurden heute auf einer Fachveranstaltung vorgestellt.
Zunächst erläuterte Prof. Dr. Klaus Harald Holocher (Jade Hochschule/Fachbereich Seefahrt und Logistik) wie die Entwicklung von Logistikketten und die Standortwahl von den Regelungen zur Einfuhrumsatzsteuer abhängen. Anschließend stellten Prof. Dr. Jan Ninnemann (Hanseatic Transport Consultancy) und Dr. Nathalie Harksen (AWB Rechtsanwälte) die bisherigen Ergebnisse des europäischen Vergleichs, die Erkenntnisse aus den Befragungen und die statistische Auswertung vor. Die Studie sieht einen Vergleich zwischen dem in Deutschland und den in europäischen Staaten mit relevanten Seehäfen (Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Polen und Slowenien) geltenden Steuer-Modellen vor. Es zeige sich, dass die Verfahren in Europa nicht einheitlich seien, erläuterte Harksen. In den meisten EU-Staaten gelte, wenn auch in unterschiedlichen Ausformungen, das Verrechnungsmodell im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung. „In der gesamten EU gilt dasselbe Recht, einzig in Deutschland wird die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen eines Fristenmodells entrichtet“, wundert sich Claus Brandt, Geschäftsführer des Deutschen Maritimen Zentrums.
Die Ergebnisse der quantitativen Analyse und die Befragungen der Fachexpert*innen zeigen, dass auf Basis der bislang verfügbaren Zahlen für die vergangenen Monate weder ein positiver noch ein negativer Effekt durch die Umstellung des Erhebungsverfahrens erkennbar sei, erläuterte Ninnemann. Die Ergebnisse der geführten Branchen-Interviews seien dennoch unterschiedlich und vielschichtig. Nahezu Konsens herrsche hinsichtlich der Einschätzung, dass das Auseinanderfallen der Zuständigkeiten für Einfuhrumsatzsteuer (Bund) und Umsatzsteuer (Länder) aufgrund des föderalen Systems in Deutschland als wesentliches Hindernis im Hinblick auf eine Weiterentwicklung der Umstellung gesehen werde.
Im Anschluss an die Zwischenergebnisse erläuterte Willem van der Schalk (a. hartrodt Deutschland GmbH & Co KG), dass aus Sicht der Spediteur*innen ein Wechsel zum Verrechnungsmodell favorisiert werde, das Fristenmodell könne nur ein Schritt in Richtung dieses Modells sein. In der abschließenden Podiumsdiskussion sprachen Wirtschaftsvertreter mit Vertreter*innen aus der Verwaltung – Iris Kretschmer (Behörde: Die Senatorin für Wissenschaft und Häfen der Freien Hansestadt Bremen), Martin von Ivernois (Behörde für Wirtschaft und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg) und Henning Raddatz (Handelskammer Hamburg) darüber, was die Herausforderungen für die Verwaltung seien und ob das Verrechnungsverfahren auch in Deutschland gebraucht werde.
Die Verwaltungsvertreter*innen legten dar, dass das Fristenmodell bereits ein Fortschritt sei. Finanzverwaltungen und Zoll würden sich stark für das Thema einsetzen, erinnerten aber auch an den administrativen Aufwand und nötige Gesetzesänderungen in Verbindung mit einem Modell-Wechsel. Die Verwaltungsvertreter*innen erhoffen sich von der Studie starke Argumente für das Verrechnungsmodell, welche die Vorteile für die Bundesländer herausstellen. Dr. Hans Fabian Kruse (Nordhandel – Vereinigung Norddeutscher Handelsverbände e.V.) pflichtete van der Schalk bei, der Handel wolle und brauche das Verrechnungsmodell, darin seien sich alle Verbände einig. Henning Raddatz sprach sich ebenfalls für die Einführung des Modells aus, um im Wettbewerb mithalten zu können, dies gelte vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen.
„Ich bin gespannt, wie sich die Umstellung auf das Fristenmodell über einen längeren Zeitraum hinweg auswirken wird und wie die Umfragen dazu in einem halben Jahr ausfallen werden“, sagte Katja Leuteritz, Referentin Häfen und Infrastruktur im Deutschen Maritimen Zentrum.
Die Studie soll im Sommer 2022 abgeschlossen und veröffentlicht werden.
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